Wir brauchen Internet. Schliesslich müssen wir noch einige Dinge erledigen für unser VISA Interview auf der US-Botschaft in einer Woche. Internet. Dummerweise sind wir in den Bahamas, Internet ist hier nicht ganz so einfach zu finden. Deshalb entscheiden wir, dass wir so bald wie möglich nach Clarence Town auf Long Island fahren wollen. Dummerweise haben wir Gegenwind. Obwohl, Gegenwind könnte ja auch mal wieder Spass machen.

Obwohl wir normalerweise gut, hoch am Wind segeln ist dieses Mal der Wurm drin. Den Gegenwind haben wir ja erwartet, dass wir auch Gegenstrom haben könnten, daran haben wir natürlich nicht gedacht. Mit gut 4 Knoten Fahrt segeln wir hart am Wind in Richtung Norden. Auf den GPS Kurs schauen wir lieber nicht zu oft. Der Blick darauf verrät uns nur immer wie Wahnsinnig langsam wir unserem Ziel näher kommen. Gegen Abend fällt unser Anker dann nur gerade 20 Meilen weiter nördlich bei Fortune Island auf weissen Sand. Am nächsten Tag dreht der Wind dann ganz leicht östlich und wir können, zwar immer noch hart am Wind, in einem Schlag nach Clarence Town hoch segeln.

Dort angekommen, müssen wir beim Landgang feststellen, dass auch hier, im ganzen Ort kein Internet zu haben ist. Das einzige Restaurant welches Internet hätte, ist wegen Covid geschlossen. Zumindest entschädigt uns die wunderschöne Bucht vor Clarence Town für die Mühen des hin Segelns. Eine riesige Lagune mit kristallklarem Wasser, umrahmt von weissen Sandstränden. Internet durften wir dann glücklicherweise von einem Segelschiff benutzen welches von zwei 25-jährigen jungen Frauen aus Florida gesegelt wird. Auch sonst waren wir nicht die einzigen Jungen in der Bucht. Noch vier weitere Schiffe mit US-Flagge standen in der Bucht und kaum einer der Segler war älter als 35. Und so brannte fast jeden Abend ein Lagerfeuer auf der nahegelegenen Sandbank. Es wurde getrunken, getanzt und gelacht und erst spät in der Nacht daran gedacht zum eigenen Schiff zurückzukehren und zu schlafen.

Doch Clarence Town hatte noch etwas ganz Anderes zu bieten. Eine halbe Stunde zu Fuss vom Strand an dem wir unser Dinghy parkiert haben, war eine weltbekannte Sehenswürdigkeit: Deans Blue Hole. Das wohl bekannteste Blue Hole der Welt. Ein Loch mitten im seichten Wasser welches, bei rund 30 Meter Durchmesser, über 200 Meter tief ist. Ein Paradies für Freediver und ein faszinierendes Naturphänomen. Wir haben natürlich unsere Schnorchelausrüstung mitgenommen, um selber mal in dieses unendlich tiefe Loch zu tauchen. Was für ein Erlebnis. Während am Anfang der Sand noch in einem 45° Winkel abfällt, kommt auf rund 7 Meter tiefe plötzlich eine Klippe und es geht senkrecht und teilweise sogar überhängend in die Tiefe. An dieser Klippe fällt der Sand in kleinen Sandfällen in die Tiefe. Irgendwo verschwindet der Sand dann in der Dunkelheit, welche auch der Boden, 190 Meter weiter unten verschluckt.

Nach einige Tagen in Clarence Town zieht es uns aber endgültig weiter. Denn ausser dem blauen Loch, hat dieses verschlafene Dorf wirklich nicht viel zu bieten. Also segeln wir bei wenig, aber schönem Wind Richtung Norden nach Rum Cay. In Rum Cay ankern wir hinter einem Riff einer riesigen Lagune welche in regelmässigen Abständen von Korallenriffen durchzogen ist. Ein Platz zu finden, an welchem genügend Raum zum schwoien ist, fällt dann trotzdem nicht schwer und so verbringen wir eine Nacht in kristallklarem Wasser. Beim Schnorcheln müssen wir aber leider feststellen, dass ein grosser Teil der Korallen leider tot ist. Ob sie durch den Einsatz von Bleiche für die Lobster-Jagt gestorben sind oder durch die Erwärmung der Meere können wir nicht beurteilen. Nach einigem Suchen finden wir dann noch eine hübsche Ecke um zu schnorcheln, welche wir uns auch prompt mit zwei Haien teilen müssen.

So richtig viele Haie sollen wir aber erst am Abend des nächsten Tages sehen. Am nächsten Tag fahren wir dann kurz vor dem Mittag weiter in Richtung Conception Island welche 10 nm weiter nördlich liegt. Dieses Mal reicht der Wind leider nicht zum Segeln und wir müssen unseren Motor wieder einmal länger laufen lassen. Wie immer versuchen wir natürlich auch heute einen Fisch zu angeln. In letzter Zeit war uns Petri ja ganz wohlgesonnen. Gerade als wir Conception Island erreichen und wir die Untiefen und Riffe am südlichen Ende der Insel erreichen, sagt Jonas: „Schaut, da wird es untief. Jetzt beisst dann sicher gleich ein Fisch!“. Und tatsächlich, noch während das Wort „Fisch“ sein Mund verlässt hören wir wie die Angelschnur herausgezogen wird. Sofort verlangsamen wir also die Fahrt und ziehen den Fisch ein. Einige Male wehrt der sich noch stark und wir müssen ihn wieder viele Meter gehen lassen. Nach rund 10 Minuten kommt er aber dann schon in Sichtweite des Schiffes. Noch einmal wehrt er sich bevor wir ihn endgültig längs an unsrer Bordwand haben und ihn an Bord holen können. Ein prächtiger, genau ein Meter langer, Wahoo wird also unser Abendessen bereichern.

Am Anker in einer wunderbaren Bucht mit einigen anderen Segelschiffen, Motorbooten und zwei Superjachten, musste dieser Fisch erst einmal ausgenommen werden. Und wie das so ist bei Fisch ausnehmen entstehen auch Fischabfälle, welche, wenn sie nicht bald entsorgt werden, auch sehr schnell zu stinken anfangen. Also entsorgt man diese Abfälle am besten gleich sofort in dem man sie über die Bordwand ins Wasser wirft. Nun war es aber in dieser Bucht so, dass nicht wenige Haie unterwegs waren. Und so waren wir innerhalb kürzester Zeit von sechs Haien im Jagtmodus umzingelt. Ununterbrochen umkreisten sie unser Schiff. Wie in schlechten Horrorfilmen sehen wir die Rückenflossen Runden drehen und sobald wir ein Stück Fisch ins Wasser werfen stürzen sich die Haie darauf und das Wasser kocht.

Auch am nächsten Tag getrauen wir uns nicht vom Schiff ins Wasser zu springen und gehen zum Baden lieber an den nahegelegenen Strand. Entlang der Nordküste der Insel hat es eine wunderbare Wanderung welche über kleine Klippen, durch Wälder von Palmen und entlang von Mooren führt. Und der Weg führt auch zum Perfekten Badestrand. In einer Bucht mit sagenhaften weissen Sandstrand, auf einer Seite von einer Kalksteinklippe geschützt und hinter einem Riff gelegen liegt ein Badeplatz, besser als jedes Kleinkinderbad in der Badi. Kein Stein oder Gewächs unterbricht den perfekten Sandboden. Das Wasser ist klar wie aus einer Quelle in den Alpen, aber warm wie in der Badewanne zu Hause.

Von Conception Island geht es dann wieder zurück nach Long Island. Diese mal jedoch an das nördliche Ende bei Cape Santa Maria, benannt nach dem Flaggschiff von Christoph Columbus, welcher bei seiner ersten Reise in den Bahamas zum ersten Mal Land erblickt hat und den Berichten zu folge genau an diesem Kap ebenfalls geankert haben soll. Und wieder einmal hoffen wir endlich mal Internet zu haben. Und tatsächlich hat das Resort, welches in der Nähe von unserem Ankerplatz gelegen ist ein WLAN. Bei einem Bier (welches preislich mit Zürich konkurrenzieren kann) geniessen wir also einen sagenhaften Sonnenuntergang und können endlich einige Dinge abklären und Nachrichten schreiben. Das Internet ist jedoch so langsam, dass wir viel Zeit haben der Sonne beim Untergehen zuzuschauen. Dadurch schaffen wir es aber leider auch bei weitem nicht alles zu erledigen, was erledigt werden müsste.

Am nächsten Morgen sitzen wir also wieder in der Resort-Bar. Dieses Mal bei Kaffee anstatt Bier. Und so langsam machen wir Fortschritte. Irgendwann setzten sich am Nebentisch zwei ältere amerikanische Frauen hin und trinken Kaffee. Am Morgen ist das Internet jetzt sogar ein wenig schneller. Trotzdem sitzen wir mehrere Stunden da. Und plötzlich, Jonathan ist soeben auf die Toilette gegangen, meint die eine Amerikanerin zu mir: „Do you guys have a drone with a hook? You look like you would have a drone.“.

„A what?“, frage ich nur, nicht sicher, ob ich sie richtig verstanden habe. Eine Drohne mit Hacken? Und warum?

Wie sich herausstellt habe ich sie tatsächlich richtig verstanden. Die Geschichte dahinter ist, dass ihr Mann seine Drohne, oben beim Kap unterhalb des Monumentes für Christoph Kolumbus, in eine Klippe geflogen hat und diese verständlicherweise gerne zurück hätte. Nun war ihre Idee, die Drohne mit einer anderen Drohne mit Hacken zu bergen. Als ich zu ihr meinte, dass wir tatsächlich eine Drohne hätten, sagte sie nur ungläubig: „What? Really?“. Ich habe sie dann aber auch bald von der Idee abgebracht, dass es realistisch sei ihre Drohne mit einem Hacken zu bergen. Aber angeboten, dass wir je nach Situation eventuell uns zur Drohne abseilen könnten da wir eine Kletterausrüstung dabei hätten. Mich hat es natürlich dann doch interessiert was genau passiert sei. So haben wir erfahren, dass ihr Mann soeben mit einem Fischerboot versucht vom Meer aus zu schauen, ob er die Drohne in der Klippe irgendwo finden kann.

Eine Stunde später, nachdem wir noch ein Mietwagen für den nächsten Tag vom Resort organisiert haben, sind wir auf dem Rückweg zum Dinghy und treffen genau auf das Fischerboot mit den beiden Männern welche soeben von ihrer Suche zurückkommen. Leider scheint die Suchaktion erfolglos verlaufen zu sein. Die Drohne zu klein und da sie auch grau ist, ist sie im grauen Fels sehr schwer erkennbar. Leider müssen sie am nächsten Morgen schon abreise und haben wohl keine Zeit mehr die Drohne noch zu suchen. Wir drücken ihm eine von unseren Visitenkarten in die Hand und wünsche eine gute Heimreise.

Am nächsten Tag um halb acht gehen wir also zum Empfang des Resorts, um unseren Mietwagen abzuholen, als uns Bob, wie der Unglücks-Drohnenpilot heisst, entgegen kommt. Seine erste Frage ist, ob ich seine E-Mail erhalten habe. Natürlich nicht, wir hatten ja kein Internet. Und so erzählt er mir er habe mir ein Foto geschickt, wo die Drohne darauf zu sehen ist. Am Abend beim Durchsehen der Fotos, welche sie am Nachmittag von der Klippe gemacht hatten, haben sie die Drohne tatsächlich gefunden. Und dabei haben sie sich an unser Angebot mit dem Klettern erinnert. Bob dreht also auf der Schwelle um und holt sein Laptop um uns alle Fotos zu zeigen auf welcher die Position der Drohne ersichtlich ist. Und tatsächlich scheint es als wäre es relativ gut möglich die Drohne zu bergen. Die Position lässt sich einigermassen abschätzen und sie liegt nur einige Meter unterhalb der Oberkante der Klippe. Warum also nicht versuchen. Und dann meinte Bob er habe bereits 300 Dollar als Finderlohn am Empfang hinterlegt, falls wir die Drohne finden würden, da er ja nicht damit gerechnet habe, uns noch zu sehen. Also setzte ich mich noch einmal ins Dinghy und fahre zurück zu unserem Schiff um die Kletterausrüstung zu holen. Als ich zurückkomme, sind mittlerweile alle im Empfang versammelt. Leonie hat in der Zwischenzeit die Autoübergabe erledigt und alles eingeladen. Wie sich herausstellt, sind die Herren beide Piloten und sind von Miami mit dem eigenen Flugzeug gekommen. Und Bobs Freund, Dave, meinte er habe noch einmal 200 Dollar dazugelegt welche wir haben können, auch wenn es uns nicht gelänge die Drohne zu finden für den Aufwand es versucht zu haben.

Das Christoph Kolumbus Monument und die Klippen wollten wir uns ja sowieso anschauen gehen und so machen wir uns auf den Weg. Mithilfe der auf den Fotos ersichtlichen Büschen, Wurzeln und dem Monument versuchen wir die Position der Drohne zu ermitteln. Und tatsächlich finden wir sie nach einigem Suchen in den Klippen nur einige Meter unterhalb von uns. Wenn wir nicht gewusst hätten, dass sie dort liegt wäre sie unmöglich zu finden gewesen, da sie zwischen den Felsen fast perfekt getarnt ist. Der Abstieg sollte sich relativ einfach gestalte, da es in diesem Bereich der Klippe noch zwei stark ausgeprägte Terrassen hat. Der Stein ist aber sehr brüchig und man kann kaum einem Tritt trauen. Wir ziehen also die Kletterausrüstung an und bereiten uns darauf vor Leonie abzuseilen. Sichern können wir an einem stabil aussehenden Baum genau oberhalb der Drohne. Nach wenigen Minuten ist die Drohne geborgen und Leonie steht wieder oben auf der Klippe.

Da wir relativ schnell waren, entscheiden wir uns direkt noch einmal beim Resort vorbeizufahren in der Hoffnung die vier Amis noch zu erwischen. Wir haben Glück und sie sind noch nicht abgereist. Die Begeisterung ist riesig und jedes Detail müssen wir erzählen. Wie sich herausstellt, sind sie soeben dabei ihren Kühlschrank zu leeren und alles was sie nicht gegessen und getrunken haben einzupacken. Am Ende landet fast alles in einer grossen Tasche in unserem Auto. Gemeinsam holen wir dann auch das Couvert mit dem Geld am Empfang ab bevor wir uns dann, mit viel bedanken, endgültig verabschieden müssen. Schliesslich haben wir uns ein Auto gemietet, um wieder ganz in den Süden der Insel nach Clarene Town zu fahren, wo wir die Tula treffen, Jonathans Bruder Maximilian abholen und noch einmal in Deans Blue Hole freediven wollen.

So fahren wir dieses Mal mit dem Auto zu sechst zum Blue Hole in dessen Mitte eine Platzform platziert wurde welche für freediving Kurse verwendet wird. An der Platzform sind Seile mit Tiefenmarkierungen befestigt. Jonathan und Franziskus versuchen neue persönliche Rekorde aufzustellen und tauchen 22 und 30 Meter tief. Leider müssen wir uns nach einigen Stunden schon wieder von Tula verabschieden, da wir noch einen weiten Heimweg vor uns haben und noch am selben Abend auslaufen wollen, um möglichst bald in die Exumas zu kommen.

Kaum zurück im Resort kommt uns auch schon der Manager mit einem Lachen auf dem Gesicht entgegen und meint, Bob hätte noch einmal einen Umschlag für uns dagelassen. Es stellte sich heraus, dass er noch einmal 100 Dollar für uns da gelassen hatte mit der Idee, dass wir uns doch im Resort Restaurant gut Essen und trinken sollen. Es gab herrliche Burger und alkoholfreie Drinks für alle!


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