Manchmal stimmt der Wind einfach nicht, um dahin zu kommen, wo man hin will. Manchmal hat man aber auch zwei gute Optionen, aus denen man wählen kann. Wir sind endlich wieder unterwegs und es steht uns eine der anspruchsvolleren Offshorepassagen bevor. Die Rundung von Cape Hatteras hat seine Tücken. Nach dem Kap fährt man für rund 70 Seemeilen gegen den Golfstrom, der zwar da nicht mehr sehr stark ist, aber immer noch mit mehr als einem Knoten zieht. Die Schwierigkeit ist, ein Wetterfenster zu finden, an dem diese Passage überhaupt segelbar ist. Denn zieht der Wind aus nördlicher Richtung, was zum Segeln gut wäre, so bauen sich durch die Strömung, welche gegen den Wind läuft, eine sehr hohe und unangenehm steile Dünung auf. Bläst der Wind aber von Süden, so muss man gegen den Wind und gegen die Strömung ankämpfen, was sogar mit einem schnellen Schiff fast unmöglich ist. Für die nächsten Tage ist der Wind aus westlicher, nach Nordwesten drehender Richtung. Die perfekten Bedingungen! Direkt Offshore, halber Wind und nicht gegen die Strömung.

Die alternative ist durch den ICW, dem Intercoastal Waterway zu fahren. Ein Netz aus Kanälen, welche die USA umspannt und, für uns interessant, eine Passage von Norfolk, wo wir jetzt gerade sind, bis nach Miami auf Kanälen zu ermöglichen. Das Problem ist, unser Tiefgang und unsere Masthöhe. Kaum ein Schiff hier an der Ostküste hat so viel Tiefgang wie wir und so sind auch die Kanäle teilweise sehr untief. Hier im Norden wurden diese ursprünglich auf vier Meter ausgegraben, an vielen Stellen hat sich aber der Kanal wieder mit Sand und Schlamm gefüllt. Auch wenn immer mal wieder irgendwo ausgegraben wird, hat es doch sehr heikle Stellen unterwegs. Die Masthöhe ist ein anderes Problem. Offiziell sind alle Brücken 19.8 Meter hoch. Unser Mast ist mit Antenne knapp 19.5m. Aber auch da zeigen Erfahrungswerte, dass stellenweise durch steigende Pegel die Durchfahrtshöhe leicht weniger wurden. Dies kann gerne mal einen Fuss, also 30 Zentimeter, weniger sein. Man muss kein Mathegenie sein, um zu merken: Das wird knapp!

Das dritte Problem ist: Motor statt Segelpower. Die Distanz bis wir, südlich von Cape Hatteras, wieder auf offene Meer fahren können sind rund 190 Seemeilen, auf welche wir kaum je segeln können. Der Vorteil liegt aber auch auf der Hand, anstatt Wellenberge sehen wir Bäume, Felder, Wiesen und Dörfer. So langsam wird es auch hier Herbst und die Laubbäume färben sich gelb und rot.

Wo also soll es hingehen? Der Titel verrät es schon: Kaffeefahrt statt Segelspass! Wir entscheiden uns für die Route auf dem ICW. Segeln auf dem offenen Meer können wir in den nächsten Monaten noch genug. Ob es sich gelohnt hat? Seht selbst.

Bei jeder Brücke fällt Leonie das Herz in die Hosen, bei jeder engen Durchfahrt stehen wir konzentriert am Steuer, damit wir ja nicht die Mitte des Kanals verlassen. Am Ende geht aber alles problemlos und wir laufen nur einmal auf beim Suchen nach einem Ankerplatz als das Wasser plötzlich von 4 m auf knapp 2 m tiefe springt. Mit dem Rückwärtsgang fahren wir aber problemlos einfach wieder raus.

Und so fahren wir jetzt gemütlich durch die engen Kanäle, durch die weitläufigen Deltas und die flachen Flüsse. Neben uns ziehen die herbst gefärbten Bäume, in der Abendsonne leuchtend vorbei. Die Spiegelung auf dem Wasser klarer als das Original. Jeden Abend entflammt die untergehende Sonne den Himmel in tiefen Rottönen und auf der anderen Seite geht der fast volle Mond hinter den lichten Baumreihen auf. Und zweimal fahren wir auch nach Sonnenuntergang noch in die Nacht hinein. Kommen vorbei an kleinen Siedlungen, bereits mit Weihnachtslichter geschmückt und fahren unter Brücken hindurch. Das Gute ist, in der Nacht sieht man nicht mehr wie nah unser Mast an der Brücke vorbeischrammt.

Nach vier Tagen Flussfahrten kommt eine bekannte Brücke in Sicht. Bald erkennen wir auch den Hafen und die Gebäude. Wir sind wieder in Morehead City, der erste Ort an dem wir vor rund fünf Monaten zum ersten Mal die USA gesehen haben. Gerade als wir einfahren erwischt uns ein Gewitter, welches jedoch, als der Anker den Grund direkt vor Beaufort berührt, bereits vorbeigezogen ist. Anstatt einer aufregenden Segeletappe haben wir jetzt also vier Tage den ICW erkundet, die Ruhe geniessen können und leider sehr viele Meilen mit dem Motor zurückgelegt.


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