Nach über einer Woche in Georgetown geht die Reise nun endlich weiter. Wir haben schon oft gemerkt, dass wir unruhig werden, wenn der Anker zu lange Zeit am selben Ort liegt. Nicht dass wir Angst hätten, dass er wegrosten würde, nein, vielmehr ist es eine innere Unruhe, die uns drängt endlich wieder hinaus zu fahren und neues zu entdecken. Neue Ecken erforschen und das bekannte hinter uns lassen. Der erste Segeltag bringt uns bei rauen Bedingungen, viel Seegang und auf einem Amwind-Kurs zu einem neuen Ankerplatz, aber auch zu alten Freunden. Pierrick haben wir in den USA getroffen. Er ist Franzose, Chocolatier und Einhandsegler. Und dadurch gezwungenermassen auch Alleskönner.

Doch zurück in die Nässe. Immer wieder brechen die Wellen über unser Vorschiff und nicht selten kriegen wir auch im Cockpit eine Schauer ab. Doch die Jollity meckert nicht, wie immer, sticht sie unbeirrt von allem, störrisch durch die aufgewühlte See. Die Wellen knallen gegen den Rumpf, doch der robuste Aluminiumbau von Royal Huisman scheint das kaum zu kümmern. Kein Knarzen ist zu hören, kein bisschen scheint sich der Rumpf zu verziehen. Einzige das Schlagen der Wellen und das heftige Schaukeln hält uns von einem gemütlichen Mittagsschlaf ab.

Dann wird es eng. Die Einfahrt zwischen den Inseln ist hier sehr eng. Beidseitig kommen die messerscharfen Felsen beängstigend nah. Durch die enge Passage wird auch die sonst schon starke Strömung noch weiter verstärkt und wir haben ungünstigerweise auch noch den Wind dagegen. Das Resultat sind mal wieder stehende Wellen in einer kaum 50 Meter breiten Durchfahrt und eine unberechenbare Strömung, welche uns schneller als man denken würde, auf eine Seite schieben kann. Da heisst es konzentrieren! Mit Leonie am Steuer sieht das alles jedoch viel weniger spektakulär aus. Mit leichter Hand steuert sie das Schiff präzise durch dieses Chaos, als hätte sie das jetzt fast zwei Jahre lang geübt. Und Zack segeln wir in perfektem Flachwasser um die nächste Ecke und sehen Pierrick’s Schiff vor einem einsamen Strand stehen. Die perfekte Chance mal wieder unter Segel zu ankern, etwas was wir viel zu selten machen.

Nach einem freudigen Wiedersehen mit Pierrick müssen wir natürlich noch den guten Wind ausnützen gehen und packen die Kites für einen Ausflug auf die nahe Insel, bevor wir uns, zusammen mit Pierrick, einen gemütlichen Abend machen, um alte Seefahrergeschichten zu erzählen.

Am nächsten Tag können wir gleich eine neue von diesen Geschichten unserem Repertoire hinzufügen. Nur wenige Meilen von unserem aktuellen Ankerplatz entfernt, soll es eine Sandbank haben, welche sich über fast einen Kilometer Länge erstreckt und welche nur bei Ebbe aus dem Wasser kommt. Erstens wollen wir uns das natürlich anschauen gehen, und zweitens hat es immer noch genug Wind zum Kitesurfen. Als Kitespot sieht die Sandbank auch sehr vielversprechend aus. So weit die Theorie. Wir fahren direkt mit der Jollity rüber und Ankern so nah an der Sandbank wie möglich. Der Ankerplatz ist zwar sehr schlecht geschützt, für den Nachmittag aber sicher kein Problem. Und so warten wir jetzt also darauf, dass es Ebbe wird und die Sandbank zum Vorschein kommt.

Eigentlich ist in ein paar Minuten Ebbe, also müssten wir die Sandbank schon gut sehen. Wir klettern also, mit dem Fernglas bewaffnet, auf unseren Solarbügel, fahren mit dem Dinghy rüber, und starten am Ende sogar noch die Drohne auf der Suche nach dem Sand. Wir finden zwar die Sandbank, diese ist jedoch noch rund 40 Zentimeter unter Wasser. Und weil wir natürlich nicht ganz so einfach aufgeben, warten wir noch einmal fast eine Stunde bevor wir endgültig aufgeben. Die Sandbank wird heute nicht mehr zum Vorschein kommen. Bis jetzt wissen wir also nicht, ob wir einfach Pech hatten, irgendwas falsch gemacht haben, oder ob die Sandbank tatsächlich durch die ständige Bewegung des Sandes verschwunden ist. Die Jollity Crew hat also einen Tag damit verbracht, wie die Trottel, eine Sandbank zu suchen, welche wohl gar nicht mehr existiert…

Für die nächsten Tage ist dann auch schon wieder perfekter Ostwind vorhergesagt. Dieses Mal haben wir uns einen ganz speziellen Platz ausgesucht. Jonas träumt schon lange davon, an der Sandbank von “Sandy Cay” kiten zu gehen. Viel zu sagen gibt es eigentlich nicht, ausser dass diese Sandbank auch tatsächlich existiert, zumindest bei Ebbe. Am besten lassen wir hier einfach die Drohnenaufnahmen wirken.

Wobei doch, natürlich gibt es auch dazu Geschichten, die erzählt werden wollen. So ganz für uns alleine haben wir die Sandbank nämlich nicht. Jeden morgen, wenn wir, noch den Schlaf in den Augen, den Kopf durch unsere Frontluke stecken und zur Sandbank rüberschauen, sehen wir bereits Zelte dort stehen. Jeweils um fünf Uhr morgens baut die Crew einer der in der Nähe geankerten Superyachten dort ihre Zelte auf, bringt die Liegestühle, Tische, eine halbe Küche, SUP’s und vieles mehr an den Strand. Klassisches “Badetuch auf den Liegestuhl legen” für Reiche. Denn, die Insel ist nicht privat und die einzige Möglichkeit sie zu reservieren, scheint zu sein, die Crew am morgen als erstes herauszuprügeln. Uns kümmern die Zelte natürlich nicht und wir gehen trotzdem Kiten. Und weil wir einige Tage dort bleiben, werden wir fast schon zum Inventar der Insel und vor allem, zum Spektakel für die Reichen. Alle sind begeistert und viele wollen wissen, wie einfach das zu lernen wäre und wie viel eine Ausrüstung kostet. Hier muss vielleicht mal angemerkt sein, wie viel ein Urlaub auf einer dieser Yachten kostet. Läppische 800’000 Dollar kostet die Miete dieser Schiffe in der Woche. Die SUP’s haben wir nie jemand benutzen sehen, die Schnorchelausrüstung hat einmal eine der Gäste kurz benutzt um zwei Schwimmbadlängen schwimmen zu gehen. Ein Bier nach einer langen Kitesession wird uns aber freundlich offeriert und wir unterhalten uns noch eine Weile mit den Besitzern einer dieser Yachten. Ein Schweizer natürlich.

Und so geht auch an diesem Tag die Sonne am Horizont unter und taucht die Welt und vor allem unsere, nicht ganz so einsame Sandbank, in ihr goldenes Abendlicht. Wir freuen uns auf morgen, wenn der Wind wieder bläst und die Sandbank, durch die Gezeiten, entsteht und verschwindet und dann wieder aufs neue entsteht.

Nachdem wir einige Tage bis zum Umfallen gekitet sind, fahren wir bei kaum Wind nach Compass Cay. Bei Compass Cay gibt es, man glaubt es kaum, einen natürlichen Whirlpool. Jacuzzi in der Natur. Kann es denn noch besser werden? Beheizen dürften sie ihn noch, obwohl das Wasser hier in den Bahamas wirklich angenehm warm ist, fehlen doch noch ein paar Grad um mit dem beheizten Pendant zu Hause mitzuhalten. Das Problem ist, wir waren schon letztes Jahr hier und wurden enttäuscht. Doch um den Grund dafür zu sehen, müssen wir erst verstehen, wie die Blasen überhaupt in diesen Pool kommen. Eigentlich ist das ganz einfach. Bei Flut schaffen es die Wellen vom Meer gerade so über einen niederen Felsen, welcher den Pool dahinter vom offenen Meer abtrennt. So schwemmt fast jede Welle über diesen Felsen in den ansonsten spiegelglatten Pool und bringt ganz viel Luft mit. Dafür müssen jetzt aber natürlich die Wellen gross genug sein. Letztes Jahr sind zwar teilweise Wellen hereingekommen, haben aber kaum Kraft gehabt und nur sehr bescheiden blasen gemacht. Dieses Jahr sieht das ganz anders aus! So fühlen wir uns jetzt wirklich wie im Sprudelbad.

Nächster Stopp: Aquarium. Und wieder werden wir nicht enttäuscht. Zwischen all den bunten Fischen kommen wir kaum aus dem Staunen. Hunderte schwimmen um uns herum durchs Wasser, verstecken sich in den Korallen und unter den Steinen oder lassen sich einfach von der Strömung vorbeitreiben. Und immer wieder entdeckt man eine neue Art irgendwo. Einzig die Tafeln mit den Namen und den wichtigsten Informationen wie wir sie aus den Aquarien im Zoo kennen suchen wir vergebens. Dafür dürfen wir nach Lust und Laune darin herumschwimmen. Natürlich berühren wir die filigrane Unterwasserwelt nicht, denn immer, wenn wir zwischen den wunderbar farbigen Korallen tauchen gehen, müssen wir daran denken, wie unglaublich bedroht diese Ökosysteme sind. So haben wir auf unsrer Reise durch die Karibik weit mehr tote Korallenriffe als lebendige gesehen. Getötet durch die Erwärmung der Meere oder den Einsatz von Bleiche in der Hummerfischerei. Es ist kaum vorzustellen, was die Zerstörung der Riffe und die Überfischung der Weltmeere für Langzeitfolgen haben werden, denn man darf nie vergessen, dass 70% der Erde von Wasser bedeckt sind und sich ein grosser Teil des Lebens auf unserem Planeten unter der Oberfläche der Meere abspielt.


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