Heute Morgen ist die Luft besonders klar. Die Berge am Horizont zeichnen sich gestochen Scharf gegen das erste Licht des Morgens ab. Auf den Gipfel liegt Schnee. Es wird langsam Zeit wider nördlich und in wärmere Gefilde zu segeln. Vorgestern sind Bigna und Stephan aus der Schweiz bei uns angekommen und haben sich auch bereits eingelebt. Wir haben wieder einmal für zwei Wochen Lebensmittel eingekauft und sind bereit für unsere letzte grosse Fahrt.
Nach langem Wetter studieren und einem Abbruch in letzter Minute haben wir uns jetzt entschieden die Westküste von Neuseeland hoch zu segeln. Der Wind sieht eigentlich ganz gut aus, einzig die Rundung des nördlichen Kaps, könnte wegen starkem Südwind relativ sportlich werden. Vor allem das Anlaufen des nächsten Ankerplatzes würde bedeuten, dass wir noch einen guten halben Tag auf der Kreuz unterwegs sein müssten. Bei wunderschönem aber kaltem Wetter und kompletter Windstille verlassen wir den Hafen von Nelson, im Hintergrund die Berggipfel, welche, wie auch wir gegen die Kälte eine Kappe tragen. Die ersten zwei Stunden bleibt uns nichts anders übrig, als mit dem Motor zu fahren. Erst dann zieht der Wind ganz langsam an. Beim Abendessen müssen wir schon alles Festhalten. Eine steife Brise zeiht ums Cape Farewell, welches die Nordspitze der Südinsel markiert, uns direkt ins Gesicht. Unsere Jollity stampft durch die Wellen und immer wieder spritzt Salzwasser über das Deck. Bigna denkt schon lange nicht mehr ans Essen, und auch wir anderen haben nicht mehr den grossen Appetit. Das verspricht eine ungemütliche Nacht zu werden. Tatsächlich nimmt der Wind im Verlauf der Nacht etwas ab und dreht endlich auch leicht achterlich. Zwischenzeitlich kommen wir sogar kaum mehr vom Fleck. Auf die Windprognosen war mal wieder überhaupt kein Verlass. Eigentlich hätte der Wind am Abend noch recht gemütlich sein müssen und dann in der Nacht kontinuierlich zunehmen sollen. Wir fahren also bei gemütlichen Bedingungen an mehreren Ölplattformen und einem Kreuzfahrtschiff vorbei, dass wie ein hell erleuchteter Weihnachtsbaum aussieht und dort mitten im Meer parkiert ist.
Der nächste Morgen zeigt sich uns grau verhangen. Müde von der Nacht und mit Regen am Horizont ist die Stimmung nicht gerade ein Höhenflug. Vom imposanten Mount Taranaki sehen wir dank der tief hängenden Wolkendecke überhaupt nichts. Schade. Wenigstens haben wir Telefonempfang und damit die Möglichkeit die neusten Wetterupdates noch einmal zu studieren. Der Wind für die nächsten 48 Stunden sieht eigentlich ganz gut aus. Der starke Südwind, welcher uns nach dem Kap Probleme bereiten wird, hat sich jedoch noch etwas verschärft. Was sich jedoch stark verändert hat, das sind die Bedingungen in drei bis vier Tagen. Plötzlich sieht es aus, als hätten wir ein fast perfektes Windfenster, wenn wir erst in rund drei Tagen weitersegeln würden. Ein Telefon mit den Hafenbehörden in New Plymouth, um die dortigen Bedingungen abzuklären später, steht unsere Entscheidung fest: Wir machen eine Pause. Wir drehen um 90 Grad und nehmen Kurs auf New Plymouth. Sofort beruhigt sich die Jollity, denn anstatt durch die Wellen zu stampfen fahren wir jetzt vor dem Wind. Offensichtlich ist es jetzt gemütlich genug, dass sogar Bigna es wieder wagt, ihr Bett zu verlassen. Nach ein paar Stunden stehen wir endlich vor dem Hafen von New Plymouth. Noch ein kurzer Funkspruch mit den Hafenbehörden um abzuklären, ob die Einfahrt auch wirklich frei ist und schon fahren wir unter Segel in den Hafen ein. Der Anker fällt auf den Grund und wir können entspannen. So Offshore-Passagen sind auch nach mehr als drei Jahren noch immer ermüdend.
Was uns jetzt noch fehlt, ist eine warme Dusche! Wir pumpen also unser Dinghy auf und machen uns direkt auf den Weg an Land. Die erste Anlaufstelle ist der Fischerclub, da diese meistens eine Dusche für ihre Mitglieder haben. Dummerweise ist genau an diesem Wochenende ein grosser Fischereiwettkampf und der Club ist überlaufen. Heute Abend ist dort zu viel Los, als das wir auch noch Duschen können. Wir dürfen aber gerne morgen Mittag zum Duschen vorbeikommen. Für uns heisst das: weitersuchen. Rund 10 Minuten zu Fuss hat es ein Hallenbad, wo es möglich sein sollte zu Duschen. Der Eintritt von rund drei Franken ist uns diese Dusche allemal wert.
Nach einer guten Nacht schlaf, geht es uns am nächsten Morgen schon wieder viel besser. Wir nutzen den Tag zum Baden, Saunieren, um Wäsche zu waschen, unser frisches Gemüse und Früchte aufzustocken und gegen Abend, den ikonischen Hügel, welcher über dem Hafenbecken aufragt zu besteigen. Dieser ist zwar nicht sehr hoch, aber so Steil, dass wir erstaunt sind, dass es überhaupt einen Weg hoch hat. Der Weg ist dann auch mehr klettern als Wandern, den Ausblick aber allemal wert. Wir haben einen herrlichen Blick entlang der Küste, auf den Vulkankegel des Mount Taranaki und über die Hafenanlage in der unsere geliebte Jollity vor Anker liegt. Danach müssen wir früh ins Bett. Für morgen haben wir nämlich grosses Pläne: Wir wollen den 2500 Meter hohen Mount Taranaki besteigen!
Heute klingelt der Wecker mal wieder früher als uns lieb ist. Wir essen ein reichhaltiges Frühstück, schliesslich brauchen wir heute die Energie, packen unsere 7 Sachen und machen uns auf den Weg. Ein Taxi bringt uns auf den, auf rund 900 m über Meer gelegenen Parkplatz welcher uns als Ausgangspunkt dient. Von jetzt an geht es nur den Berg hoch. Vor uns können wir ihn sehen. In all seiner Majestät ragt er weit in den klaren blauen Himmel empor. Über 1600 Höhenmeter haben wir noch vor uns.
Am Anfang führt der Weg über eine gut gemacht Strasse, welche auch von Autos benutzt werden kann. Schon dieser Weg wird jedoch immer steiler. Bei der Hütte machen wir einen ersten kurzen Rast, essen eine Frucht zur Stärkung und bereiten uns auf den eigentlichen Anstieg vor. Nach der Hütte geht nur noch ein Wanderweg weiter. Dabei wird der Weg, dem Kegel folgend, immer steiler. Der Weg wird zu einer Treppe und dann zum Geröllfeld. Jeder Schritt vorwärts bedeutet hier auch ein halber zurück. Bei jedem Tritt müssen wir den Halt kontrollieren und trotzdem rutschen wir immer wieder aus. Nach dem Geröllfeld wird der Aufstieg noch steiler und wir brauchen immer öfter auch unsere Hände um uns hochzuziehen. Dafür finden hier unsere Füsse wieder problemlos halt auf den Felsen. Trotz der vielen Höhenmeter hat es hier oben erstaunlich viele Wanderer. Fast ganz oben erreichen wir dann, den mit Schnee bedeckten Krater. Diesen durchqueren wir und machen uns danach daran, die letzten Höhenmeter zu erklimmen. Wow! Was für eine Aussicht! Rundum hat sich eine tiefe Wolkendecke gebildet, aber am Horizont sehen wir die drei Vulkane, welche im Zentrum der Nordinsel aus dem weissen Meer herausragen: der Tongariro, Ngauruhoe und Ruapehu.
Trotz einem starken und vor allem richtig kalten Wind essen wir auf dem Gipfel unser Mittagessen, bevor wir uns an den Abstieg wagen, welcher bedeutend weniger schweisstreibend ist als der Aufstieg. Nach der abermaligen Durchquerung des Kraters und dem steilen Abstieg über die Felsen beginnt für uns der beste Teil der ganzen Wanderung: das Geröllfeld auf dem runter weg! Denn jetzt legen wir mit jedem Schritt gleich deren zehn zurück.
Leider ist dieser Teil viel zu schnell vorbei und so bleibt uns nichts anderes übrig als den restlichen Weg wieder normal zu wandern. Dabei nehmen wir einen kleinen Umweg in Kauf und gehen anstatt die Strasse zu nehmen auf einem Wanderweg durch Busch und Wald zurück zum Parkplatz. Wieder einmal sind wir erstaunt, wie schnell sich die karge Vulkanflanke in ein grünes Paradies verwanden kann.
Zurück auf dem Parkplatz werfen wir ein Blick auf die Uhr: Wir haben die Wanderung, trotz guten Pausen, in 6 Stunden, anstatt den 8-10 Stunden welche angegeben sind, geschafft. Das ist auch gut so, denn jetzt haben wir genügend Zeit eine Mitfahrgelegenheit zurück nach New Plymouth zu finden. Hier oben ein Taxi zu finden ist nämlich ziemlich aussichtslos. Sofort machen sich Stephan und Bigna auf die Suche, welche nach ungefähr 3 Minuten auch schon wieder vorbei ist. Die erste Person, welche die beiden angesprochen haben, eine Frau aus Wien, erklärt sich direkt bereit uns zurück zu unserem Schiff zu fahren. Das Beste daran: Da sie alleine ist, haben wir sogar alle vier im Auto Platz. Das ging ja sogar noch einfacher als wir zu hoffen gewagt haben. Am Abend müssen wir dann schon wieder unser Schiff für die überfahrt vorbereiten. Wir wollen nämlich morgen weiter fahren. Der Aufenthalt in New Plymouth war zwar kurz, aber bestimmt ein Highlight unserer Reise.
Der nächste Morgen begrüsst uns mit gutem Wetter und glücklicherweise bläst sogar ein leichter Wind, den wir perfekt zum Segeln nutzen können. So kommen wir auch fast 20 Seemeilen weit, bevor der gute Wind sich in Luft auflöst und uns nichts anderes übrig bleibt, als mit Diesel für unser vorwärtskommen zu sorgen. Schade! Dafür haben wir Zeit für einen guten Jass. Nach dem Abendessen will der Wind aber leider noch immer nicht anziehen und so müssen wir leider weiter unseren Brummer laufen lassen. Erst kurz vor Mitternacht haben wir genügend Wind um wieder segeln zu können. Zumindest bläst uns dieser die nächsten 30 Stunden bis fast zum nördlichsten Ende von Neuseeland hoch, bevor er uns wieder im Stich lässt. Kurz vor Cape Reinga dreht der Wind so stark achterlich, dass wir nicht mehr gegen die gut zwei Knoten Gegenströmung ankommen und wieder einmal Unterstützung brauchen. Aber auch so kommt das Kap nur quälend langsam näher. Erst als der Strom langsam nachlässt, machen wir wieder etwas fahrt, und Rauschen einige Stunden später sogar mit gutem Mitstrom und wieder unter Segel ums Kap. Vor vier Monaten sind wir genau dort gestanden und haben aufs Meer hinausgeschaut. Die Küste hier im Norden ist von riesigen Buchten mit perfekten Sandstränden gezeichnet und so können wir es nicht sein lassen, trotz einer leichten Welle, bei einem anzuhalten, zu Ankern und dort zu übernachten. Nach zwei Nächten auf hoher See fühlt sich die Jollity für uns, obwohl sie gut schaukelt, ruhig wie im Hafen an.
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