Die Ragged Islands sind wirklich eine verlassene Ecke. Während fast einer Woche sehen wir, ausser ein Fischerboot und einmal zwei Segelschiffe aus weiter Ferne, niemand. Nicht einmal ein einziger Mast eines geankerten Schiffes zeichnet sich am in weiter Ferne ab. Und auch der Fischer hat nur kurz seine Fallen kontrolliert und ist danach weitergezogen. Wir hatten die umliegenden fünf Inseln und die Kitespots für uns alleine.

Dann dreht der Wind. Ein Sturmtief über Florida bringt uns nordwest Wind. Die schmale Inselgruppe bietet wenig Schutz gegen Westwind, denn auf der östlichen Seite der Inseln fällt der Meeresboden als steile Klippe in die Tiefe, und sowieso rollt auch bei Westwind oft noch eine Welle vom Atlantik an die zerklüftete Ostseite der Inseln. Trotzdem gibt es natürlich Plätze, an denen wir uns verkriechen und Schutz suchen können. Einer davon ist südlich von Racoon Cay in einer Durchfahrt zwischen zwei Inseln, welche nicht klassisch Ost-West verläuft, sondern viel eher Nord-Süd. Und weil solche Plätze rar sind, treffen wir dort auch zum ersten Mal auf zwei andere Schiffe. Zwei Familien auf dem Weg zu grossen Abendteuern im Südpazifik. Und beides auch angefressene Kitesurfer.

Der Wind am nächsten Tag ist viel westlicher als vorhergesagt. Anstatt Nordwest bläst es fast den ganzen Tag aus West. Der ehemals gute Ankerplatz wird dadurch viel ungemütlicher als gedacht. Hinzu kommt, dass wir im tiefen Kanal, auf felsigem Grund, ankern müssen, weil wir zu viel Tiefgang haben, um im untieferen, aber sandigen Bereich neben dem Hauptkanal zu stehen. Tatsächlich bricht unser Anker, der sich an einer Kante einer Felsplatte fest gehackt hatte, wegen des langsam drehenden Windes, aus und rutscht. Doch weil wir wussten, dass dies früher oder später geschehen wird, sind wir bereit, und können ohne Probleme neu ankern. Durch den neu aus Nordwest kommenden Wind finden wir sogar ein Stück Sand, in dem der Anker viel besser greift als zuvor.

Es rollte jedoch noch immer eine unangenehme Westwelle um den schmalen Landzipfel, welcher uns eigentlich schützen sollte und an Bord werden wir immer wieder von links nach rechts geworfen. Wir entscheiden uns also, dass es besser ist, den Abend am Strand zu verbringen. Ein Feuer zu machen und Schlangenbrot und Kartoffeln zu backen. Dazu gibt es Knoblauchbutter und Hummus. Mhm, was für ein Festmahl.

Der nächste Tag bringt noch einmal Nordwestwind. Langsam drehen die Wellen auch nach Nordwesten und am Ankerplatz wird es wieder ruhiger. Der perfekte Tag um den Wind noch einmal zum Kitesurfen. Zurück am Dinghy brennt bereits ein Feuer am Strand. Die beiden Familien haben sich an uns ein Beispiel genommen und auch Schlangenbrot vorbereitet. Bei ihnen steht dazu aber noch ein Hummer und Fisch auf dem Speiseplan. Wir lassen uns die Chance nicht entgehen und wiederholen unser Abendessen vom Vortag noch einmal. Dieses Mal ist der Teig mit Zwiebeln, Käse und Speck gespickt und als Dessert gibt es Schokoladebananen.

Als sich der Wind langsam beruhigt wollen wir natürlich unbedingt noch die umliegenden Riffe sehen und werden nicht enttäuscht. Neben richtig grossen Korallen sehen wir auch wieder eine Vielzahl von Fischen. Doktorfische, Drückerfische, Jacks, Stachelrochen und viele viele mehr tummeln sich um die farbigen Korallen. Leider sind aber auch hier, grosse Teile der Korallen tot. Trotzdem sind wir mal wieder begeistert, was es alles zu sehen gibt, wenn man eine Taucherbrille aufsetzt und seinen Kopf unter die spiegelnde Oberfläche des Atlantiks streckt.

Bereits am nächsten Tag dreht der Wind wieder auf. Es bläst mit rund zwanzig Knoten aus Südost, perfekt für unseren mittlerweile gut bekannten Kitespot bei Double Breasted Cay. Und so verbringen wir den Tag schon wieder beim Kiten. Am Abend wollen wir aber unbedingt noch in die sagenhafte Bucht bei Johnson Cay umparkieren.

Südostwind ist die einzige Richtung, in welche dieser Ankerplatz gut geschützt ist. Und weil es einer der besten Plätze weit und breit ist, treffen wir dort natürlich wieder auf unsere alt bekannten Familien. Beide sind gerade dabei ihre Kites zusammenzupacken. Perfekt für uns um noch kurz eine Abendsession zu geben bevor in etwa einer Stunde die Sonne untergeht. Die anderen machen bereits wieder ein Feuer am Strand und wir sind noch immer voll im Kitefieber als die Sonne sich langsam hinter der Sanddüne verkriecht und nur wenige Minuten später auch durch hohe Sprünge nicht mehr hervorzulocken ist.

Der Wind scheint sich jedoch über das Verschwinden der roten Scheibe zu freuen und beginnt noch einmal richtig zu blasen. Und während die Kraft der Sonne nachlässt und das Rot am Horizont langsam schwindet, gewinnt das blasse blaue Licht des Vollmonds immer mehr an Kraft. So gibt es kaum einen Grund, mit dem Kitesurfen aufzuhören, und während wir anderen alle schon lange am Lagerfeuer sitzen, ist Roman noch immer daran, seine Sprünge zu üben. Während Roman irgendwann total ermüdet vom Wasser kommt, hat sich Jonas schon wieder erholen können und lässt es sich natürlich nicht nehmen auch noch bei Vollmond zu Kiten. Das faszinierendste ist, dass das Licht vom Mond das Wasser fast komplett durchsichtig macht. Etwas was wir auch vom Schiff aus schon öfter beobachtet haben. So ist es nun wirklich fast, als würden wir nicht nur während den Sprüngen fliegen.

Die nächsten Tage verbringen wir ganz ähnlich. Mal hat es Wind zum Kiten, mal ist es ruhig genug zum Schnorcheln. Etwa dreimal müssen wir unseren Ankerplatz ändern, weil der Wind sich in der Zeit einmal 360 Grad um uns herumgedreht hat. Eigentlich wäre die Zeit hier auf den Ragged Islands perfekt. Jedoch gehen unsere Vorräte langsam zur Neige. Es gibt nur noch Gemüse aus der Dose und die einzigen Früchte, die wir noch haben, sind Kokosnüsse. Das grösste Problem ist aber, dass uns das Benzin für unser Dinghy ausgeht. Kaum noch einen Liter schwappt im gefährlich leichten Tank hin und her. Jedes Mal denken wir, es sei die letzte Kitesession gewesen, da uns das Benzin nicht mehr reichen würde. Da bleibt uns vermutlich nur die Flucht zurück in die Zivilisation. Ob uns das gelingt, erfahrt ihr wohl erst im nächsten Blog.


0 Comments

Leave a Reply

Avatar placeholder

Your email address will not be published. Required fields are marked *