Wir schauen auf einen Hexenkessel. Genauer gesagt auf den French Pass. Was diese Meerenge mit den Franzosen zu tun hat, wissen wir auch nicht so genau, was wir aber wissen ist, dass wir genau diesen Hexenkessel in rund zwei Stunden mit unserem Schiff passieren wollen. Doch was passiert hier eigentlich? Der French Pass ist die enge Durchfahrt zwischen dem neuseeländischen Festland und der D’Urville Island. Der Grund warum es dort aktuell brodelt wie in einem Hexenkessel ist die starke Strömung, welche durch die unterschiedlichen Gezeiten zwischen der Able Bay und dem Pelorus Sound entsteht. Dadurch, dass die Gezeiten zeitlich versetzt sind, versucht das Wasser den Höhenunterschied durch den French Pass auszugleichen. Das Problem dabei ist, dass das Wasser dabei durch eine extreme Enge fliessen muss. Denn unter der Wasseroberfläche versteckt sich ein ausgiebiges Riff, welches rund 80 % des sowieso schon schmalen Durchgangs blockiert. Über die Jahrmillionen hat sich das Wasser beidseitig des Engpasses tiefe Löcher in den Meeresboden gegraben, welche jetzt dazu führen, dass dort das Wasser aus der Tiefe aufsteigt und darum das Meer richtig gehen kochen lässt. Bevor ihr jetzt Angst um unser Schiff kriegt, können wir euch beruhigen. Wie schon erwähnt ist die Strömung abhängig von den Gezeiten und diese wechseln bekanntlich alle sechs Stunden. Dies führt dazu, dass auch die Strömungsrichtung im French Pass im selben Rhythmus wechselt und bevor die Strömung dreht, kommt sie für eine kurze Zeit ganz zum Erliegen. Die Durchfahrt ist also einzig uns alleine eine Sache des richtigen Timings, was auch der Grund ist, wieso wir diesen Spaziergang zum Aussichtspunkt unternommen haben. Wir warten auf den geeigneten Zeitpunkt.

Am Ende ist die Passage durch den Frenchpass geradezu unspektakulär. Mit schwachem Gegenwind und noch einer leichten Gegenströmung kämpfen wir uns unter Motor langsam durch die Enge und fahren danach den langen Arm entlang in Richtung der Able Bay. Eigentlich wollten wir einen Ankerplatz auf D’Urville Island anlaufen, welcher für uns jedoch nur bei Flut zu erreichen ist und deshalb wieder genaues Timing verlangt. Als wir auf die Able Bay hinaus fahren, merken wir jedoch wie gut der Wind gerade ist und entschieden kurzerhand die Überquerung der Bucht heute Nachmittag zu machen. Der Wind lässt leider bald etwas nach und wir sind noch nicht einmal in der Hälfte, da bleibt uns nichts anderes übrig, als unseren Gennacker wieder einzupacken und den Motor einzuschalten. Als Entschädigung besuchen uns dafür wieder einmal Delfine. Nachdem wir in den Marlborough Sounds keinen einzigen gesehen hatten, ist die Freude vor allem bei Annegret und Jürg natürlich riesig. Über eine lange Strecke begleiten sie uns, schwimmen manchmal für einige Minuten davon, nur um bald wieder in unserer Bugwelle mitzuschwimmen. Sogar ein Kleiner, der kaum von der Seite seiner Mutter weicht und jede Schwimmbewegung perfekt mitmacht, ist dabei.

Auf der anderen Seite der Bucht werden wir vom Able Tasman National Park mit einer mystischen Abendstimmung begrüsst. Im Gegensatz zu den Marlborough Sounds ist hier das Ankern unkompliziert. Zwar hat es fast vier Meter Tidenhub, dafür ist es an den meisten Ankerplätzen auch nur 5 Meter tief. Verglichen mit den sehr tiefen Sounds bei denen wir oft auf 20 Meter Ankern mussten und dabei schon gefährlich nah ans Land gekommen sind. Der nächste Morgen offenbart uns neben einem wunderschönen Sandstrand auch eine regelrechte Horde von Touristen. Beim Frühstücken scheint alles noch recht idyllisch zu sein, bis das erste Schiff ums Kap in unsere Bucht einfährt. Danach kommen innerhalb von 10 Minuten rund 15 kleine bis grosse Schiffe mit einer Vielzahl von Ausflugstouristen, Kajaks und Wandergruppen an. Nach all der Einsamkeit der letzten Wochen ist das ein kleiner Schock für uns. Der Grund für die Beliebtheit wird uns bei unserem Landgang auch klar. Der feine Sand leuchtet uns golden entgegen und der Spaziergang durch den lichten Wald führt uns zu Buchten wie aus dem Bilderbuch. Willkommen im Able Tasman National Park!

Ein Nachteil hat das Ankern hier. Keiner der Ankerplätze ist wirklich vor Wellen geschützt und so schaukelt unsere Jollity eigentlich fast immer leicht hin und her. Die nächsten Tage fahren wir entlang des Nationalparks hoch und runter. Segeln viel am Wind und erkunden die Küste zu Fuss. Wir gehen an den Traumstränden schwimmen und geniessen einfach die ruhige Zeit. Wieder einmal erwischt uns ein Starkwind, während wir ganz im Norden am Anker sind. Dieses Mal entscheiden wir uns, das Schlimmste an Land abzuwettern. Bei einem Getränk am Strand schauen wir der Jollity zu, wie sie vom Wind hin und her geblasen wird und sind für einmal froh, haben wir festen Boden unter den Füssen. Dass der Anker nicht halten würde, haben wir keine Angst. Ganz so viel Wind hat es dann doch nicht.

Am letzten Tag hier besuchen wir noch die Sehenswürdigkeit schlechthin: der Split Apple Rock. Ein in der Mitte gespaltener runder Felsen, welcher auf dem Wasser zu liegen scheint. Witzig ist er schon und ein Foto mit der Jollity im Hintergrund muss natürlich auch sein. Danach heisst es für uns noch einmal Segeln. Für Annegret und Jürg sind es die letzten Seemeilen auf unserem Schiff und darum haben wir den perfekten Segeltag ausgesucht. Die Seabreeze (ein thermischer Wind, der vom Meer her weht) dreht am Nachmittag auf 20 Knoten auf und so rauschen wir mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Nelson. Nach einer etwas ruppigen Hafeneinfahrt kreuzen wir sogar noch gegen den Wind und die auslaufende Strömung den schmalen Kanal hoch bis zur Marina. Wir wollen ja noch so viel wie möglich Segeln. Dann sind wir fest vertäut in der Marina von Nelson.

Bevor Annegret und Jürg von der Jollity Abschied nehmen müssen, haben wir jedoch noch einen Tag Zeit um unser lang gehegter Plan durchzuführen. Wir mieten zwei Fahrräder für die beiden und machen uns auf zu einer Fahrradtour. Das Ziel ist es, bei den lokalen Weinkellern Wein zu probieren und gleichzeitig die schönen Gezeitenlandschaften rund um Nelson zu erkunden. Ein kleiner Dämpfer für diese Aktion ist die tägliche Seabreeze welche wir gestern noch so genossen haben. Heute bläst sie uns fast während der ganzen Fahrradtour hart ins Gesicht und macht so ein Vorwärtskommen sehr anstrengend. Trotzdem ist es ein schöner Tag und die ausführliche Weindegustation gibt uns gute Einblicke in die neuseeländische Produktion, das vorherrschende Klima und die verschiedenen Weinregionen. Jetzt müssen wir alle nur noch packen. Morgen werden wir alle zusammen nach Christchurch fahren, wo Annegret und Jürg ihren Mietcamper für die nächsten 10 Tage in Empfang nehmen werden. Auch für uns zwei geht es auf eine 5-tägige Tour über die Südinsel. Mit dem Mietauto und unserem Zelt wollen wir vor allem das Landesinnere und diejenigen Regionen, welche wir elf Jahren noch nicht gesehen haben erkunden.


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