Endlich sind wir unterwegs, die Dominikanische Republik liegt auf Backbord und wird immer kleiner bis sie schlussendlich am Horizont verschwindet. Was für eine Zeit wir doch hatten. Eine Zeit der Gegensätze. Einerseits ist das Land wunderschön. Die Natur im Parco National los Haitises ist unbeschreiblich. Wenn der Wind am Abend zum Erliegen kommt, liegt der Nationalpark da als wäre die Zeit stehen geblieben. Nur die Vögel welche am Himmel ihre Bahnen ziehen und die Sonne welche sich langsam dem Horizont nähert, um dort, tiefrot, ins Wasser zu versinken, erinnern einem daran, dass die Zeit eben doch nicht stehen geblieben ist. Andererseits sind die Städte schmutzig und voller Abfall. Die Menschen sind wirklich nett und sehr hilfsbereit. Aber sie sind auch unglaublich Laut. Die Musik dröhnt Kilometerweit aus den Bars, durch die Strassen fahren Trucks mit Lautsprechern und überall diskutieren Menschen lautstark über dieses und jenes. Wenn man durch die Strassen von Samana geht, werden alle Sinne leicht übersättigt. Es ist nicht nur laut, sondern auch unglaublich bunt. Alle Häuser sind in verschiedenen Farben angemalt und auf den meisten prangt ein Schriftzug, welcher irgendwas bewirbt. Die Kleiderläden sind bis unters Dach mit Kleidern vollgestopft und auf den Fruchtständen leuchten die exotischen Früchte und Gemüse in gelb, grün und rot um die Wette. An jeder zweiten Ecke steht ein stand an welchem, für keine 50 Rappen, Empanadas verkauft werden. Die Düfte der Bäckereien und Restaurants wetteifern mit dem Gestank nach Abgasen und dem Abfall, der überall verteilt liegt.

Und so sind wir, auch wenn wir die üppige Natur vermissen werden, auch ein wenig froh endlich weiter segeln zu können. So sind wir jetzt also unterwegs zu den Bahamas. Es weht ein angenehmer Wind von achterlich der uns bequem und zügig voranbringt. Und so segeln wir durch die wohl angenehmste erste Nacht, die wir auf unserer Reise hatten. In der zweiten Hälfte der Nacht nimmt der Wind dann immer mehr ab und er dreht langsam von Süd auf Nord. Leider wissen wir dank moderner Vorhersagemodelle auch schon was in der zweiten Hälfte der Überfahrt auf uns zu kommt. Nicht ganz unerwartet kommt der Dreher auf Nord und dann im Verlauf des Tages auch eine starke Zunahme des Windes. Bald schon segeln wir gerefft auf einem Halbwindkurs. Der Wind sollte nicht viel über 30, maximal 35 knoten werden und so schauen wir dem relativ entspannt entgegen. Viel weniger entspannt ist die Vorhersage für die Wellen. Bis zu vier Meter sollen diese für die kommende Nacht werden. Der Grund ist eine Kaltfront, welche weiter Nördlich sehr starke Winde brachte und sich in den südlichen Bahamas langsam auflösen soll. Unser Ziel wäre, so bald wie möglich die Abdeckung durch die Insel «Great Inagua» zu erreichen, welche uns für die letzten 40 Seemeilen bis zum Ziel relativ flaches Wasser garantieren sollte.

Und wie vorhergesagt, werden im Verlauf des Tages die Wellen immer grösser und grösser. Nach dem Abendessen übernimmt Jonathan gleich die erste Wache während um uns ein kleiner Sturm tobt. Die Prognose war nicht übertrieben und an Schlaf war kaum zu denken. Die Wellen klatschen eine nach der anderen genau seitlich gegen den Rumpf. Im Schiff knallt es regelmässig und das Cockpit wird immer öfter von Wellen durchgespült. Wir sind heil froh, dass jetzt niemand am Steuer stehen muss. Und dann auf einmal, ein besonders lauter knall, und eine Welle stürzt sich ungebremst den Niedergang runter in unser Schiff. Alles ist nass. Und salzig. Das gröbste versuchen wir direkt zu trocknen. Alles andere muss warten bis wir die Bedingungen wir angenehmer sind. Einzig Jonathan sitzt immer noch ganz gelassen, wenn auch komplett nass, draussen und meint es sei so weit alles total entspannt. Auch nach vier Stunden, bis auf die Knochen durchweicht, sitzt er noch immer da und hält tapfer seine Wache. Von jetzt an soll er den Titel «der Unerschrockene» tragen. Erst kurz vor Anfang der dritten Wache in dieser Nacht, morgens um drei, fahren wir endlich in die Abdeckung der Insel. Plötzlich ist alles sehr ruhig. Der Wind pfeift zwar unbeeindruckt weiter durch die Segel, doch ohne Wellen kann er uns kaum etwas anhaben. Gegen Sonnenaufgang bricht auch der Wind dann langsam zusammen und im ersten Tageslicht können wir schon das Kap und somit den nicht mehr in Betrieb stehende Leuchtturm von Great Inagua sehen. Von da aus sind es nur noch wenige Meilen bis Matthew Town und dem Dock an dem wir nach einer wilden Nacht anlegen können.

Great Inagua und die Dominikanische Republik könnten kaum gegensätzlicher sein. Die Insel ist karg. Sehr karg. Das kleine Dorf Matthew Town besteht mindestens zur Hälfte aus Ruinen, die andere Hälfte besteht aus in blassen Farben gestrichenen Holzhäusern. Auch wenn zwischen den Häusern ab und zu mal eine Palme wächst, ist die Vegetation sehr karg und besteht hauptsächlich aus Büschen. An den riesigen, flachen Salzseen welche zur Salzgewinnung genutzt werden wachsen ab und zu kleine Mangroven. Und wir können Flamingos beobachten, wie sie, einbeinig und rosa, im Windschatten der einzigen Erhebung herumstehen. Und dann ist da natürlich das Wasser. In der Samana Bay war das Wasser immer mehr oder weniger stark braun-grün. Hier in Great Inagua hat das Wasser sogar in dem kleinen Hafen dieses eindrückliche Türkies.

Das Einklariern hier ist super einfach. George, Hafenmeister dieses kleinen Docks, ist sehr freundlich und hilfsbereit. Er klariert auch unser Boot in die Bahamas ein. Auch der muskulöse, tätowierte Herr von der Immigration kommt mehrfach bei uns auf dem Schiff vorbei bis alles erledigt ist und er uns die Pässe mit dem Einreisestempel wieder vorbeibringt. Uns fällt das besonders auf, da wir uns noch den Bürokratie-Urwald aus der Dominikanischen Republik gewohnt sind, wo wir für jede noch so kleine Bewegung unseres Schiffes erst bei der lokalen «Armada» eine Bewilligung einholen mussten. Ein Unterfangen für welches mindestens zwei Stunden eingeplant werden musste.

Beim ersten Spaziergang durch die Strassen von Matthew Town sehen wir kaum jemand. Zwei von vier Autos, welche wir an dem Tag sehen, halten kurz an um uns zu Fragen, ob wir etwas suchen, wünschen uns danach einen schönen Tag und fahren weiter. Am nächsten Tag treffen wir dann einige Kinder auf der Strasse, an welche uns sofort in ihren erlauchten Kreis der Freunde aufnehmen und dafür auch auf unserem Longboard fahren dürfen. Danach erklimmen wir den stillgelegten Leuchtturm und können dort die alte Mechanik sowie eine grandiose Aussicht geniessen.

Neben uns am Pier liegt noch ein anderes Schiff. Die «Ambergris» aus Maine. Schon als wir übermüdet anlegen, sind wir sehr froh kommt uns Patrick beim Festmachen helfen. Am nächsten Tag erhielten wir dann eine Bootsführung über ihren 65 Fuss langen, selbst ausgebauten Schoner welcher mit Telefonmasten bestückt ist. Was für ein Schiff. Dann gab es Abendessen mit selbstgebackenem Zopf aus unserem Ofen, Käse und allerlei aufgeschnittenem Gemüse.

Die Ruhe und Bescheidenheit dieses Ortes sind für uns nach den überwältigenden Eindrücken der Dominikanischen Republik eine sehr willkommene Abwechslung.


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