Am letzten Morgen hier auf dem Minerva Riff haben wir noch einen Spaziergang auf dem Riff gemacht. Was für ein unglaubliches Erlebnis, hier mitten im Pazifik übers Wasser zu spazieren. Doch jetzt rasselt die Ankerkette in den Ankerkasten. Etwas wehmütig sind wir schon. Nach einem halben Jahr im Südpazifik, mit den schönsten Stränden, dem klarsten Wasser und einer Tierwelt, die ihresgleichen sucht, heisst es jetzt endgültig Abschied nehmen. Wir verlassen die Tropen und fahren zurück in die kalten, meist trüben Gewässer der höheren Breitengrade. Trotzdem freuen wir uns sehr auf Neuseeland. Das Ziel unserer Reise ist in Reichweite! Doch auch die Hitze der Tropen und die vielen tausend Seemeilen sind uns langsam zu viel geworden, sodass wir froh darüber sind endlich an einem Ort anzukommen, wo die Distanzen zwischen den Ankerplätzen wieder überschaubarer werden.

Heute, dem ersten Tag der Überfahrt scheint die Sonne und es geht ein leichter Südsüdost-Wind. Wir passieren bei perfekten Flachwasser die Durchfahrt des Riffes, um auf einen Pazifischen Ozean herauszufahren, der so flach ist wie wir ihn seit den Galapagos nicht mehr gesehen haben. Was für ein grandioser Start! Wir segeln rund 45 Grad am scheinbaren Wind. Ein guter Kompromiss zwischen Geschwindigkeit, Komfort und idealer Richtung zum Ziel. Dabei kommen wir zwar etwas zu Westlich vom direkten Kurs ab, dies ist aber, wenn man den Windprognosen glauben will, ideal um später den etwas besseren Windwinkel zu haben. Rund um das Südliche Minerva Riff, welches wir auf dessen Westseite passieren, kommen wir sogar in eine ideale Strömung und machen so zwischenzeitlich bis zu 8 knoten Fahrt. Die Stunden plätschern dahin und irgendwann geht die Sonne am Horizont unter. Die Wachen werden eingeteilt: Jonas fängt an, gefolgt von Chai, Leonie und kurz vor Sonnenaufgang wird Susumo für die Morgenwache übernehmen. Ausser in speziellen Fällen versuchen wir für eine Überfahrt die Nachtwachen nicht mehr zu ändern, so kann sich jeder an einen festen Tagesablauf gewöhnen. Die erste Nacht verläuft dann auch ereignislos und vor allem gemütlich. Dass wir bereits in der ersten Nacht gut schlafen können, ist wirklich eine Seltenheit.

Der zweite Tag fängt dann schon etwas sportlicher an. Der Wind hat leicht zugenommen und bläst jetzt mit rund 15 Knoten gegen uns. Genug, um eine relativ kurze, rund 1.5 m hohe Welle aufzubauen. Jetzt knallt unsere Jollity von Zeit zu Zeit hart in die Wellen und dabei spritzt ab Wasser übers Deck ins Cockpit. Etwas ganz spezielles haben wir an diesem Morgen auch noch erreicht, wir sind nämlich über das Ende der Welt gesegelt. Zum Glück für uns ist die Erde ja bekanntermassen eine Kugel und so sind wir anstatt von der Weltenscheibe zu fallen „nur“ von der westlichen in die östliche Hemisphäre gesegelt. Für uns hat dies aber noch eine andere Bedeutung. Denn seit wir, vor über drei Jahren, im Ärmelkanal über den nullten Längengrad gesegelt sind, haben wir somit die halbe Erde umrundet!

Wie erwartet nimmt der Wind den ganzen Tag weiter zu, bis er gegen Abend gute 20 kn erreicht und sich eine knapp 2.5 m hohe Welle aufgebaut hat. Jetzt sticht die Jollity nicht mehr nur vereinzelt in die Wellen, sondern es knallt bei fast jeder Welle. Jedes Mal hebt sich der Bug, um wenige Sekunden später mit einem dumpfen Knall in die nächste Welle zu stechen. Und jedes Mal läuft ein Zittern von vorne bis hinten durchs Schiff. Soweit ist alles normal, die Bedingungen eigentlich relativ entspannt und die Vibration spricht für ein solides und vor allem sehr steif gebautes Schiff. Wenn es uns zu viel werden würde, könnten wir einfach abdrehen und hätten fast perfekte Segelbedingungen. Nur würden wir dann halt nicht nach Neuseeland, sondern nach Fidschi fahren. Und obwohl es in Fidschi schön sein muss, wollen wir jetzt unbedingt nach Neuseeland. Schlaf kann bei diesen Bedingungen dann aber doch niemand von uns so richtig finden. Hätten wir doch nur in der ersten Nacht nicht so gut geschlafen, dann wären wir jetzt wenigstens müde genug!

Erst am Abend des dritten Tages beginnt der Wind dann, erst leicht und dann immer mehr abzunehmen. Die Nacht verspricht sehr angenehm zu werden und doch ist uns leicht mulmig zu mute, denn von unseren Prognosenmodellen wissen wir, das ist jetzt die Ruhe vor dem Sturm. Wobei der „Sturm“ laut Prognosen nur bis 22 knoten Windböen bringen soll. Aus Erfahrung wissen wir aber, dass wir auf diese Werte auf hoher See sicherlich noch 20 % draufrechnen müssen. Doch auch 28 knoten ist natürlich noch weit davon entfernt ein Sturm zu sein und sind etwas, dass wir auf unserer Reise schon sehr oft hatten. Sorgen macht uns einmal mehr die Richtung. Während wir bis jetzt meisten vor dem Wind segeln konnten, müssen wir dieses Mal viel härter an den Wind. Gegen den Nachmittag des vierten Tages dreht der Wind zuerst zu unseren Gunsten, sodass wir jetzt anstatt 45° nur noch 70° am Wind segeln. Kurz danach fängt er auch an aufzudrehen. Die Spitze erreicht er aber erst am frühen Morgen des fünften Tages, mit Böen bis zu 30 Knoten schüttelt er uns einige Stunden ganz schön durch. Und trotzdem geht es vor allem Jonas jetzt, da er weiss, dass die Bedingungen nur noch besser werden, schon viel besser. Und so werden die Bedingungen von ungemütlich zu sportlich, dann noch schnell, bis es irgendwann während der sechsten Nacht sogar wieder richtig gemütlich wird. Wir schöpfen zum letzten Mal die Bilge aus, in der sich in den letzten Tagen wegen eines abgefallenen Schlauches am Ankerkasten literweise Wasser gesammelt hat, und richten uns wieder zum gemütlichen Schlafen ein.

Am morgen um sieben bleiben wir dann fast stehen. Der Wind ist auf unter 5 knoten zusammengefallen. Weil wir uns wirklich sehr auf Neuseeland freuen, schalten wir dieses Mal ohne lange zu fackeln den Motor an und lassen uns vom „schwedischen Wind“ Richtung Opua schieben. Den Tag durch nimmt der Wind manchmal etwas zu und wir können bei absolutem Schwachwind wieder einige Meilen segeln, bevor er dann auch wieder einschläft und uns wieder nur der Motor voranbringt. Dafür machen wir am Mittag einen Badestopp, um den Dreck der Überfahrt von unseren Körpern zu waschen, kleiden uns mit frisches Kleider neu ein und werden am späteren Nachmittag auch noch von einer Schule Delfinen begrüsst!

In der letzten Nacht erwischen wir dann sogar noch einmal guten Wind und so kommt mit dem ersten Licht des morgens die Küste von Neuseeland in Sicht. Die Morgensonne kitzelt uns aus dem Schlaf, die schroffen Felsen der kleinen Inseln leuchten erhaben im roten Licht und auf dem Weg zur Marina winken uns immer wieder kleine Pinguine zur Begrüssung zu. Genau sechs Tage nachdem wir im Minerva Riff unseren Anker gelichtet haben, legen wir in Opua am Quarantänensteg an und warten jetzt geduldig darauf, von den Behörden in Empfang genommen zu werden.


0 Comments

Leave a Reply

Avatar placeholder

Your email address will not be published. Required fields are marked *