Der Tag beginnt perfekt. Die Sonne scheint, wir haben einen leichten Wind von achterlich und die Cookstrasse liegt fast ohne Wellen vor uns. Wir haben alles gut durchgerechnet und sollten eigentlich genau um zwei Uhr Nachtmittags am Tory Channel sein, welcher die Einfahrt in den Queen Charlotte Sound markiert. Da es sich dabei um einen extrem engen Kanal handelt, und in dieser Gegend relativ hohe Gezeitenunterschiede von gut zwei Metern herrschen, kann im Kanal eine sehr starke Strömung entstehen. Ist diese Strömung entgegen der Windrichtung, bauen sich sehr hohe und spitze Wellen auf. Heute um zwei Uhr sollte jedoch die Strömung drehen und somit für eine Weile fast komplett zum Erliegen kommen. Das Problem ist, wir haben uns mal wieder unterschätzt. Gerechnet haben wir mit einer gemütlichen Überfahrt und rund fünf Knoten. Im Moment fahren wir aber bei einer guten Brise mit mehr als 7.5 Knoten. Wir werden also zu früh dort sein. Ein kurzer Blick auf die Strömungstabelle macht uns klar: keine Chance. Fünf knoten Gegenstrom, welcher auch noch gegen rund 25 Knoten Wind fliesst. Das ist zu gefährlich. Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten: Entweder wir kreuzen vor dem Eingang hin und her und warten die zwei Stunden ab oder wir fahren um das nächste Kap herum und segeln in den anderen Arm des Sundes, welcher viel weiter offen ist und darum bedenkenlos befahren werden kann. Der Umweg ist dann auch gleich die rund 2 Stunden, die wir hier warten müssten. Aufgrund des zunehmenden Windes und der Wellen, welche mittlerweile schon relativ ungemütlich geworden sind, entscheiden wir uns für den Umweg.

Ganz unproblematisch ist das ganze dann doch auch nicht, denn der Weg dort hin, führt uns durch die engste Stelle der Cookstrasse, welche zu diesem Zeitpunkt ihren maximalen Gegenstrom erreicht. Dort sind es nicht ganz 5 Knoten, aber doch immerhin auch gegen die drei, welche uns langsam vorwärtskommen lässt und eben diese berüchtigte spitze Welle aufbaut, welche schon so manchen Seefahrer bleich im Gesicht hat werden lassen. Der Wind hat mittlerweile auf fast 30 Knoten aufgedreht und schiebt uns erbarmungslos durch die aufgewühlte See und so machen wir trotz starkem Gegenstrom immer noch gut Fahrt. Die Wellen sind zum Glück kaum höher als einen Meter, sind aufgrund der Bedingungen jedoch so steil, dass sie konstant am Brechen sind. Das ist zwar ungemütlich, im Gegensatz zur Durchfahrt des Tory Channels jedoch komplett harmlos. Dann sehen wir plötzlich eine letzte brechende Wellenkante vor uns im Wasser, dahinter ist das Wasser wie gebügelt. Wir haben es geschafft! Hinter dem Kap nimmt dann auch der Wind stark ab und wir können endlich zu Mittag essen. Zwei Stunden später sind wir endlich in einer geschützten Bucht und können uns, im Licht der letzten Sonnenstrahlen, vom wilden Segeltag erholen.

Die nächsten Tage haben wir Zeit, den Queen Charlotte Sound zu erkunden. Die tief in den Felsen geschnittenen Täler sind, im Gegensatz zu Fjorden, nicht von Gletschern geformt, sondern alte Flusstäler, welche durch die Absenkung der neuseeländischen Landmasse vom Meer gespült wurden. Dies verleiht den Marlborough Sounds ein sehr spezielles Flair.

Während im äusseren Queen Charlotte Sound noch grossflächig Forstwirtschaft betrieben wird, sind die Inseln und der innere Teil des Sounds mit dichtem Urwald bewachsen. Und so werden wir bei unserem ersten Landgang auf einer der Inseln wieder einmal von der Vielfältigkeit der Flora und Fauna überrascht. Dank sehr grossen Bemühungen leben auf der Insel kaum oder sogar keine eingeschleppten Nagetiere mehr. Die Insel ist richtig gespickt mit Fallen. Dies führt dazu, dass viele einheimische Vogelarten sich wieder ausbreiten können und so sehen wir neuseeländische Tauben, kleine Saddleback, Tuis mit ihren wunderbaren Stimmen und gefühlt hundert weiter Vögel. Weil für den heutigen Abend starker Wind und Regen angesagt ist, suchen wir uns eine möglichst gut geschützte Bucht. Schon auf dem Weg dort hin wird unsere Jollity immer wieder von Böen erfasst. Jedes Mal neigt sie sich stark zur Seite, nimmt dann einen Satz nach vorne, nur um direkt in das nächste Windloch hineinzufahren, wo alles wieder ganz entspannt scheint. Die Bucht, die wir ausgesucht haben, ist tatsächlich windfrei. Zumindest für zehn Minuten. Die Nacht ist eine der Ungemütlichsten unserer Reise. Zwar ist der Ankerplatz gut geschützt, das bedeutet aber auch, dass der Wind aus allen Richtungen kommt. Immer wieder knallt eine Böe mit voller Wucht durch die Bucht. Einmal bläst es aus Norden, das nächste Mal aus dem Süden. Dazwischen haben wir einige Minuten Ruhe, in denen es fast komplett windstill ist. Die Jollity schlingert am An ker, knallt mit Schwung in die Ankerkette, dreht sich 180 Grad. Immer und immer wieder. Am nächsten Tag lässt der Wind und auch der Regen endlich etwas nach.

Zum Glück lässt uns der Wind jetzt zwei Tage in Ruhe. Wir gehen wandern, baden und geniessen das Leben. Und schon steht der nächste Sturm an der Türschwelle. Wir merken auch hier tief in den Sounds die Nähe zur Cookstrasse noch sehr deutlich. Dieses Mal entscheiden wir uns für die gemütliche Sicherheit eines Hafens, statt noch einmal durch die Gegend geschleudert zu werden. In Picton, da wo die Fähren, von der Nordinsel ankommen, finden wir einen gut geschützten Hafenplatz. Bei so viel Wind und immer mal wieder Regen ist es auch gemütlich einfach vom Schiff laufen zu können und mal einen Spaziergang durch den kleinen Ort zu machen.

Sobald der Sturm nachgelassen hat, geht es für uns weiter in den nächsten Sund. Das bedeutet für uns, dass wir den ganzen Weg raus aus dem Queen Charlotte Sound, ein kurzes Stück durch die Cook Strasse und dann hinein in den Pelorus Sound segeln müssen. Wegen des guten Wetters entscheiden wir uns noch eine Nacht unterwegs zu stoppen, und zwar in genau der Bucht in welcher vor langer Zeit schon James Cook Schutz vor den Elementen gesucht hat. Bei allen drei seiner langen Reisen hat er diesen natürlichen Hafen aufgesucht, um auszuruhen und Vorräte aufzustocken. Dabei hat er auf einer nahe gelegenen Insel zum ersten Mal die englische Flagge gehisst und damit die neuseeländische Südinsel zu englischem Territorium erklärt hat. Auf dem Gipfel dieser Insel steht heute ein Aussichtsturm, welcher eine sagenhafte Aussicht über die Umgebung bietet. Für uns ist das natürlich ein perfektes Ausflugsziel. Neben dem Aussichtsturm gedenkt eine gravierte Steinplatte dem denkwürdigen Tag, an dem sich für Neuseeland so vieles geändert hat. Dem 31. Januar 1770. Aber halt, ist nicht heute der 31. Januar? Tatsächlich haben wir zufälligerweise genau den Jahrestag für unseren Besuch ausgesucht. Der Tag endet für uns mit einem Landgang in der Bucht an der Cook damals angelandet ist, ersten Kontakt mit den einheimischen Maori hatte und zu dem Fluss, in dem er damals seine Wasserfässer gefüllt hatte. Wen man bedenkt, was für Schiffe damals in dieser Bucht gelegen sind, kommt uns unsere Jollity plötzlich ganz klein vor.


0 Comments

Leave a Reply

Avatar placeholder

Your email address will not be published. Required fields are marked *