Es sollte unsere letzte Nacht in New York sein. Nachdem Manhattan im Abendlicht erstrahlt ist und dann selber zur hellsten Lichtquelle im Umkreis wurde legen wir uns hin, um in einen ruhigen tiefen Schlaf zu fallen. Doch mitten in der Nacht wachten wir auf, wir fühlen uns nicht gut. Jonas hat Schüttelfrost, immer wieder durchläuft ein Schlottern sein ganzer Körper. Dabei ist es überhaupt nicht kühl im Schiff. Auch Leonie hat wahnsinnig kalt. Wir versuchen aufzustehen müssen uns aber direkt wieder hinlegen. Leonie wird es sofort übel und Jonas hat nicht die Kraft sich auf den Beinen zu halten. Die Impfung vom Vortag scheint ganz gut Wirkung zu zeigen. Über eine fehlende Immunantwort können wir auf jeden Fall nicht klagen. Nach einer Viertelstunde schaffen wir es mit gemeinsamer Anstrengung endlich uns ein Neo-Citran anzurühren. Leonie schafft es eine Pfanne mit Wasser auf den Herd zu stellen und die Neo-Citran aus der Apotheke zu holen. Jonas kann sich 5 Minuten später zur Küche kämpfen, um das Pulver mit dem Heissen Wasser anzurühren. Der Zucker hilft sehr schnell und wir fühlen uns schon bald wieder leicht besser. Gut genug um noch einmal einige Stunden zu schlafen. Der nächste Tag verbringen wir im Bett. Bei 38 Grad Fieber liegen wir halbtot herum und hoffen nur, dass es bald vorüber sein wird. Ans weitersegeln ist auf jeden Fall nicht zu denken. Wir sind froh können wir einfach nur am Anker bleiben, da wir uns kaum in der Lage fühlen auch nur das kleinste bisschen zu tun. Und wir meinen zueinander noch, dass, falls jetzt der Anker rutschen sollte, wir wohl kaum in der Lage sein würden etwas zu unternehmen. Wobei uns natürlich klar ist, dass ein wenig Adrenalin da sicherlich nachhelfen kann.
Und, wenn ich das hier im Blog schon so schön erwähne, gibt es bestimmt auch einen Grund dafür. Um 18 Uhr macht sich mein Handy plötzlich bemerkbar. Eine Benachrichtigung von Google. Genau gesagt eine Wetterwarnung. In rund einer Stunde soll es in New York regnen. Solche Warnungen haben wir in der letzten Woche schon zwei Mal erhalten. Heute war aber bis jetzt eigentlich super Wetter. Und so schleppen wir uns mit Mühe ins Cockpit, um festzustellen, dass tatsächlich eine dunkelgraue Gewitterwand von Westen her auf uns zukommt. Und sie kommt schnell und trifft uns hart. Innert Sekunden schnellt die Windanzeige auf 50 knoten hoch. Das Schiff stellt sich in den Böen Quer, weil der Bug verblasen wird und macht dabei beängstigend stark Lage, obwohl wir ja keine Segel oben haben. Einige male schwojen wir so hin und her und dann plötzlich bleibt das Schiff seitlich liegen, anstatt dass wir uns wieder nach dem Anker und dem Wind ausrichten. Das kann nur eins bedeuten: Der Anker rutscht. Zum ersten Mal seit über einem Jahr rutscht unser Anker! Genau an dem Tag an dem wir es kaum vom Bett bis zum Sofa geschafft haben. 50 Knoten Wind und der weiche Schlamm im Hafen von New York sind zu viel für unseren Anker. Da gibt es nur eins. Motor an und ans Steuer. Das Gute ist: wir treiben in den Hafen von New York raus und haben noch mehr als 3 Meilen Platz zum Rutschen. Nach einer viertel Stunde lässt der Wind dann langsam nach und bald haben wir nur noch gut 20 knoten. Es braucht jedoch mehr als 5 Versuche bis der Anker endlich wieder hält. Total erschöpft sinken wir wieder tief in unser Sofa und regen uns kaum mehr für den Rest des Tages. Wie wir einige Tage später erfahren sollen, sind auch an anderen Ankerplätzen reihenweise Schiffe gerutscht an diesem Abend und einige Buchten weiter nördlich hat es sogar einiges an Sachschaden gegeben.
Am nächsten Morgen ist dann alles vorbei. Uns geht es wieder super! Nach dem Mittag machen wir uns auf den Weg den East River runter. Unsere Hoffnung zu segeln ist nach einer guten Meile vorbei gerade als wir unter der Brooklyn Bridge durchfahren bricht er komplett ein und wir müssen unseren japanischen Wind ankicken. Na ja, ein Versuch war’s wert. So fahren wir unter all den imposanten Brücken welche den East River überspannen hindurch: die Brooklyn Bridge, die Manhattan Bridge, die Williamsburg Bridge und die Queensboro Bridge inklusive Seilbahn. Mit teilweise bis zu 4 Knoten Mitstrom fahren wir entlang von Manhattan, Brookly und Queens. Langsam versinkt hinter uns die Skyline von Manhattan im Dunst, der über der Stadt liegt, während die Besiedlung abnimmt und immer öfter Industriezonen Platz macht. Und dann überrascht uns der Wind noch einmal und bläst uns auf den letzten 5 Meilen bis nach Port Washington noch einmal kräftig in die Segel.
Am nächsten Morgen verlassen fast alle Schiffe Port Washington. Denn Elsa soll uns in der Nacht heimsuchen. Elsa ist der erste Hurrikan der Saison und er hat es genau auf uns abgesehen. Dabei sind wir doch genau deswegen so weit in den Norden gefahren. Da können wir aber jetzt lange rum weinen, Elsa ändert deswegen ihre Zugbahn nicht. Wir entscheiden uns in Port Washington zu bleiben, weil wir der Meinung sind, dass die Bucht sehr gut geschützt ist. Wie viel Wind denn nun wirklich kommen soll, da sind sich die Wettermodelle sehr uneinig. Zur Vorsicht nehmen wir uns eine der Städtischen Moorings, welche für die erste Nacht sogar kostenlos sind. Schliesslich sind wir geprägt von dem Sturm vor zwei Tagen und hier in Washington hat sich der Vorfall mit Sachschaden ereignet. Umparkiert wird am Nachmittag. Und das Timing hätte schlechter nicht sein können. Kaum ist der Anker oben, zieht der Wind an und nach wenigen Minuten bläst er uns mit gut 30 knoten den Regen ins Gesicht. Die Mooring ist nur 200 Meter vom Ankerplatz entfernt und obwohl alles kurzzeitig ein wenig hektisch wird, haben wir nach rund 10 Minuten umparkiert und verkriechen uns so schnell wie möglich ins trockene Schiff. Und keine fünf Minuten später fällt der Wind schon wieder zusammen und einzig der Regen plätschert noch eine gute Stunde fröhlich weiter auf unser Deck. Das war also der erste Vorbote von Elsa. Und wie sich zeigen wird, ist es auch das Maximum, was Elsa zu bieten hat. In der zweiten Nachthälfte zieht Elsa dann über uns hinweg, bringt aber nur maximal 25 knoten Wind und Unmengen an Regen mit.
Am nächsten Morgen entschliessen wir uns mit dem restlichen Wind von Elsa weiterzusegeln. Nach rund einer halben Stunde passiert dann jedoch was passieren musste. Elsa zieht weiter und so auch der Wind. Bald schon schauen wir auf einen Spiegelglatten Long Island Sound und uns bleibt nicht anderes übrig, als mit dem Motor nach Port Jefferson zu fahren.
In Port Jefferson erwartet uns dann eine weitere Überraschung. Weil einige Tage kein Wind ist, entscheiden wir uns, an diesem wunderschönen Ort einige Tage zu verweilen. Denn kaum sind wir angekommen kommt ein Motorboot vorbei, um Hallo zu sagen. Sofort bemerken wir, dass sie bemerkenswerte Geografie Kenntnisse der Schweiz haben. Kein Wunder, ist René, einer der vier, ein Schweizer. Und so sind wir, dank der kleinen Schweizer Flagge an unserem Heck am nächsten Tag zum Mittagessen bei René und Zonja eingeladen. Auch mit dabei sind ihre Nachbarn, Greg und Barbara. Es gibt aber nicht einfach irgendein Mittagessen. Zur Vorspeise bekommen wir eine Schweizer Platte mit Landjäger und Cervila vom lokalen Metzger (die Cervila schmeckt genauso wie zu Hause), zum Hauptgang ein Raclette mit echten Schweizer Käse. Mhmmm… So gut haben wir schon lange nicht mehr gegessen. Sie wohnen in einem wunderschönen Haus direkt am Wasser in der Bucht von Setauket mit hübschem Garten. Von ihrem Balkon aus können wir eine Vielzahl von Vögel beobachten. Im Garten und im salzigen Sumpf vor dem Haus laufen Gänse und Reiher umher. Sowieso sind die vier eine wirklich tolle Gesellschaft und wahnsinnig Nett zu uns. Immer wieder bietet uns Greg an uns beim Suchen nach Ersatzteilen für den Motor behilflich zu sein und am Ende fährt uns René noch zur Tankstelle, um unsere Kanister zu füllen und bezahlt auch gleich die nächsten paar Windlosen Meilen für unser Schiff. Einen herzlichen Dank an alle für diesen wunderbaren Sonntag!
Nachdem wir täglich auf guten Wind gehofft hatten entschieden wir uns kurzerhand bei schwachem nordost Wind, gegen den Wind aufzukreuzen um endlich vorwärts zu kommen. Nach zwölf Stunden und 70 anstatt den direkten 45 Meilen kommen wir, gerade in der Dämmerung, endlich vor einer privaten Insel bei einem geeigneten Ankerplatz an. Am nächsten Morgen sollte laut Prognose guter Wind sein, um weiter nach Newport zu segeln. Als wir aufstehen, können wir jedoch kaum die Hand vor Augen sehen. Von der Insel, bei der wir so nah geankert haben, ist nichts mehr zu sehen. Stock dicht hängt der Nebel über dem Meer. Aber zumindest haben wir Wind.
Dank heutiger Navigationshilfen wie GPS und AIS können wir trotzdem los segeln, auch wenn der Horizont nach weniger als 100 m endet. Der Seefunk läuft auf hochtouren. Immer wieder werden Positionen und Kurse durchgegeben, Schiffe angefunkt um auszuweichen, oder man spricht sich kurz vor einer Begegnung ab, auf welche Seite man ausweichen will. Und immer wieder hört man aus dem undurchdringlichen Weiss um uns herum das Nebelhorn oder den Motor eines Schiffes. Der Wind lässt uns leider einmal mehr im Stich. Und so müssen wir, bei totaler Flaute, zwischenzeitlich den Motor anschalten. Teilweise reicht der Wind aber auch wieder zum Segeln. Nach einem Tag im Nebel, an dem wir kaum ein Schiff gesehen aber hunderte gehört haben, erreichen wir, endlich Newport. Und während wir uns in der Einfahrt noch von den Glocken der Tonnen leiten lassen lichtet sich der Nebel plötzlich und gibt die Sicht auf hunderte Segelschiffe aller Art frei. Klein, gross, nostalgisch, elegant oder hochmoderne Racer. Die Stadt der Segler schlechthin! Wenig später biegen wir um die letzte Hafenmole und wir können endlich die Stadt anschauen. Oder besser gesagt könnten wir, denn die Stadt ist hinter den vielen riesigen Motorjachten, welche in den Hafenanlagen stehen versteckt. Und so ankern wir auf engem Raum zwischen hunderten von anderen Schiffen im Hafen von Newport.
Wir sind keine halbe Stunde am Anker, da fährt ein hübsches Holzboot direkt hinter uns durch. Auffällig ist vor allem der Typ der darauf sitzt und uns lange anstarrt. Als sie schon fast vorbei sind, folgt plötzlich ein “Hoi zäme”. Uns bleibt kaum genug Zeit, um auch hallo zu sagen, weil sie schon an uns vorbeigezogen sind. Wir wollen aber sowieso in die Stadt und das Dinghy ist bereit. Also fahren wir den beiden direkt hinterher. Und so treffen wir Phillip, auch ein Schweizer. Er gibt uns einen Haufen Tipps was wir in der Stadt tun können und wo wir den besten Burger kriegen. Denn wir haben Lust auf Burger. Am nächsten Tag machen wir uns daran die Stadt zu erkunden. Einen längeren Spaziergang auf dem Cliffwalk, einem Weg entlang der felsigen Küste von Newport, zeigt, wo früher die Reichen ihre Häuser gebaut hatten. Der Weg führt entlang von prächtigen Parkanlagen von Villen. Eine grösser und prunkvoller als die vorherige!
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