Wir sind in Neuseeland. Neuseeland. Es braucht etwas Zeit, um zu verstehen, was das für uns bedeutet. Es hat auch für etwas Zeit gebraucht. Einerseits haben wir es geschafft. Wir sind nicht nur an unserem Ziel angekommen, wir haben auch soeben den grössten Ozean der Erde mit dem Segelschiff überquert. Wir sind einmal um die halbe Welt gesegelt. Exakt 23’247 Seemeilen zurückgelegt. Oder etwas mehr als 43’000 km. Ja, das ist mehr als der Erdumfang! Und trotzdem haben wir es nur um die Hälfte geschafft. Da haben wir vermutlich ein paar Umwege gemacht. Ein kleiner Funfact: Genau 90 % der Distanz haben wir rein unter Segel gemacht. Kein Erdöl verbrannt, kein Motorengeräusch, nur das Rauschen der Wellen und des Windes.

Wieso die Erde fast genau 40 km Umfang hat

Im Jahr 1799 wurde in Paris der Urmeter als der ein Millionste Teil der Distanz vom Äquator zum Nordpol definiert. Oder anders ausgedrückt, sollte die Distanz zwischen Äquator bis zum Nordpol 10’000 km betragen. Weil die Messmethoden vor mehr als 200 Jahren noch nicht ganz so präzise waren, hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen und der Urmeter fiel etwas kurz aus und so muss ein Eisbär jetzt halt 10’002 km wandern und schwimmen um vom Nordpol bis zum Äquator zu kommen. Zumindest, wenn er ganz direkt läuft und keine Hügel im Weg sind. Die Definition des Urmeters von 1799 haben wir nämlich bis heute beibehalten.

Vor mehr als drei Jahren sind wir mit unserem damals unvertrauten Schiff durch die geschützten Kanäle vom Markermeer durch Amsterdam ins Niederländische Zeeland gefahren. Jetzt sind wir, mit allen Wassern gewaschen, tausende Meilen alleine mit den Wellen über zwei Ozeane gesegelt, im Neuen Zeeland angekommen. Die Jollity ist von einer aufregenden neuen Bekanntschaft zu einer zuverlässigen Freundin geworden, hat sie uns doch über all diese Zeit nie im Stich gelassen.

Was eine Seemeile mit einem Meter gemeinsam hat

Auch die Definition einer Seemeile kommt nicht von ungefähr. Eine Seemeile ist als die Länge einer Winkelminute eines Meridians oder des Äquators festgelegt. Der Äquator ist als Kreis in 360 Grad aufgeteilt. Die Distanz vom Äquator zu den Polen entspricht einem Viertelkreis, also 90 Grad. Und weil die Erde (idealisiert) eine Kugel ist auch einem viertel des Erdumfangs am Äquator. Jedes Grad ist wiederum in 60 Winkelminuten aufgeteilt. Eine Seemeile ist also definiert als der 60zigste Teil des 90sten Teil der Distanz vom Äquator bis zum Nordpol. Also ein 5400stel. Die Referenz, welche für das Bestimmen der Länge einer Seemeile benutzt wurde, ist also dieselbe wie für den Urmeter. Der einzige Unterschied ist, dass ein anderer Teiler verwendet wurde. Eine Seemeile ist also 10’0002 km / 5400 = 1,852 km. Ganz einfach, oder? Geschwindigkeiten werden auf See übrigens in Knoten gemessen, was Seemeilen pro Stunde entspricht.

Aktuell liegen wir am Quarantänen Steg in Opua und warten auf die Behörden. Ideal für ein kleines Mittagessen, bevor wir uns mit dem offiziellen Empfangskomitee der Neuseeland auseinanderzusetzen.

Welchen Papierkrams braucht es eigentlich zur Einreise in ein neues Land?

Wie auch mit dem Flugzeug müssen wir auch mit dem Schiff die Zollformalitäten bei der Einreise abwickeln. In vielen Ländern bedeutet dies, dass wir uns nach der Ankunft so rasch wie möglich bei der lokalen Zollbehörde oder Polizei melden. Dort erledigen wir die Papiere für uns, was meistens bedeutet, dass wir mehrere kurze Einreisefragebögen ausfüllen und danach unsere Aufenthaltsgenehmigung kriegen. Etwas komplizierter ist oftmals der Papierkram für unser Schiff. Nicht selten sind dies mehrere Seiten, in denen wir viele Details zum Schiff machen müssen. Dazu gehören nebst Grösse, Alter und Hersteller des Schiffs oft auch Dinge wie Seriennummer des mitgeführten Dinghys, Informationen über den verbauten Motor oder Marke und Hersteller unseres Seefunkes. Ebenfalls wichtig ist eine Crewliste über welche kontrolliert wird, dass auch sicher alle das Land wieder verlassen. Falls jemand das Schiff verlässt oder neu zusteigt, muss man, je nach Land, die Crewliste bei den Behörden anpassen lassen. Selbstverständlich gegen eine kleine Gebühr. Erst, wenn all diese Papiere in Ordnung sind, erhalten wir eine temporäre Importbewilligung und eine Fahrtenbewilligung für die nationalen Gewässer. Als wäre das nicht schon kompliziert genug, stellen nicht selten die Biosecurity (Biosicherheit) und seit Covid meistens auch die Gesundheitsbehörde zusätzliche Anforderungen. Die im Jahr 20 und 21 verbreiteten Covid Tests sind mittlerweile nicht mehr nötig und oft reicht es einen kurzen Fragebogen zur Gesundheit aller Crewmitglieder auszufüllen. Die Biosecurity ist mitunter die grösste Hürde. Während alles andere mit etwas Papierarbeit und den richtigen Dokumenten (Pass, Schiffsregistrierung, Versicherungsbestätigung) erledigt ist, müssen für die Biosecurity gewissen Anforderungen erfüllt sein. Die Länder in welchen dies bis jetzt relevant war, sind Kuba, wo am Ende jedoch nichts kontrolliert wurde und natürlich die Galapagos. Wie alle wissen, die schon mal nach Neuseeland gereist sind, die Kiwis sind in dieser Hinsicht eines der strengsten Länder der Welt. Auf gar keinen Fall dürfen wir Früchte und Gemüse einführen, aber auch Hülsenfrüchte, Fleisch und vieles mehr sind ein Problem. Die Liste ist lang. Sehr lang. Noch fast wichtiger als die Lebensmittel an Bord ist der Bewuchs des Unterwasserschiffs, welches bei der Ankunft kontrolliert wird und falls die Bestimmungen nicht erfüllt sind, muss das Schiff direkt aus dem Wasser gehoben und gewaschen werden.

Wir haben gerade das Mittagessen weggeräumt, als der Zollbeamte über den Steg auf uns zukommt. Fünfzehn Minuten später ist das Papier erledigt. Unsere Visa waren in Ordnung und die Jollity ist temporär nach Neuseeland importiert. Jetzt folgt der Teil, von dem viele Segler schon in Französisch Polynesien in Angst geredet haben. Wir haben alles, was wir wissen, dass wir es nicht behalten können oder bei dem wir unsicher sind bereits aussortiert. Der Rumpf ist überhaupt kein Problem. Bevor sie an Bord kommen, werfen sie einen kurzen Blick darauf und sind zufrieden. Danach schauen sie sich unsere bereits vorsortieren Lebensmittel an, nehmen ein paar halbvolle Packungen mit Bohnen und ein Pack Reis in welchem sich Käfer bereit gemacht haben. Am Ende dauert alles gut 20 Minuten und schon sind wir wieder alleine auf dem Schiff und staunen, was sie uns alles doch gelassen haben. Dörrfrüchte, Gewürze und sogar einige Hülsenfrüchte durften wir einfach behalten. Einen kurzen Funkspruch mit der Marina, schnell umparkieren, und wir sind endgültig in Neuseeland!

Am nächsten Tag entschliessen wir uns zusammen mit Susumo und Chai ein Auto zu mieten, um damit möglichst viel vom Norden von Neuseeland zu sehen. Wir kommen am grössten Kauri-Baum vorbei, schauen uns riesige Sanddünen und Wasserfälle an. Besuchen das nördlichste Ende von Neuseeland und tauchen ab unter die Erde, um der Magie der Glühwürmchen zu erliegen. Besonders beeindrucken ist sicherlich der grösste noch lebende Kauri-Baum. Vor allem der Umfang des 45 m hohen Baumes, ist mit 15.5 Meter einfach nur massiv.

Genauso massiv wie der Baum sind die Sanddünen. Schon das Besteigen der bis zu 150 m hohen Sanddünen ist ein Kraftakt, weil jeder Schritt vorwärts auch gleich wieder ein halber zurück ist. Oben bläst uns der Wind Sand um die Ohren und wir fühlen uns, obwohl am Horizont noch Wald zu sehen ist, an eine Wüste erinnert. Der grosse Spass ist dann, über die Verwehungen in die super steilen Sandhänge zu springen. Etwas weniger Spass macht es danach, unsere Kleider und Ohren wieder vom Sand zu befreien. Keine zehn Minuten weiter nördlich kommen wir ans Ende des neuseeländischen Festlandes. Ein Parkplatz, zehn Minuten zu Fuss und schon bräuchten wir wieder ein Schiff um noch weiter zu kommen.

Weniger massiv, dafür umso schöner sind die “Glowworm Caves” welche überall auf der Neuseeländischen Nordinsel zu finden sind. Während viele diese Höhlen auf privatem Land stehen und nur gegen Eintritt besucht werden können, hat es in der Nähe von uns eine, welche wir ohne Führung besuchen können. Nur wenige Meter vom Parkplatz entfernt geht es über einige Steine hinein in eine grosszügige Höhle, aus welcher fröhlich ein Bach sprudelt. Gerade im Eingang, noch geblendet vom hellen Sonnenlicht ist es schwierig einen Weg zu finden. Wir haben zu viert leider nur zwei Taschenlampen dabei und so stolpern wir mehr als dass wir gehen in die Höhle hinein. Nach wenigen Schritten schon müssen wir vom trockenen Stein in den Bach wechseln. Das Wasser ist eiskalt und so sind wir froh, müssen wir nur knöcheltief durch das Wasser weiter. Obwohl es schnell immer dunkler wird, gewöhnen sich unsere Augen bald daran und die beiden Taschenlampen geben jetzt auch genügend Licht, dass wir alle bequem etwas sehen können. Um das zu sehen, was wir suchen, müssen wir das Licht jedoch ausschalten. Sobald es nämlich dunkel ist, erscheint über unseren Köpfen ein Lichtermeer, als wären wir unter einem besonders kräftigen Sternenhimmel. Tausende kleine Lichtpunkte leuchten über uns um die Wette. Wir bleiben einfach nur stehen und staunen.

Und dann sind da natürlich noch die Wasserfälle. Gut ausgeschildert und an jeder Ecke zu finden, scheinen sie hier einer der Hauptsehenswürdigkeiten zu sein.

Nur gerade 10 cm von unserem Schiff entfernt spielt sich jedoch das vermutlich eindrücklichste Naturspektakel ab. Etwas, an das wir uns vermutlich noch lange erinnern werden. Am besten schaut ihr euch einfach die Bilder an, denn ich denke nicht, dass ihr uns glauben würdet, würde ich es auch nur versuchen zu beschreiben. Im Hafen von Opua haben sich zwischen den Stegen Glühalgen, ein Biolumineszentes Plankton, angesammelt, welches so kräftig leuchtet, dass wir problemlos Fotos und Filme davon machen konnten.


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