Eines meiner Lieblingsspiele als Kind war “Tonga Bonga”. Der Grund dafür war vermutlich nicht das Spielprinzip oder die taktische Tiefe, sondern schlicht und einfach die Tatsache, dass ich mit einem kleinen Plastikschiff viele kleine Inseln entdecken konnte. Heute, 20 Jahre später ist das Schiff etwas grösser und aus Aluminium, geschoben wird es von Wind und Welle statt von einem Würfel und meinem Finger und die Inseln, die am Horizont auftauchen sind, schon seit hunderten von Jahren bewohnt. Trotzdem fühle ich mich wieder wie damals in meiner Kindheit, als wir mit unserer Jollity zwischen den kleinen Inseln der Vava’u Inselgruppe hindurchsegeln. Vava’u liegt im Norden von Tonga und ist die grösste Inselgruppe des Königreichs. Die einzige grössere Ortschaft hier heisst Neiafu und bietet neben einige Restaurants und Bars auch ein paar kleine Einkaufsläden und ein erstaunlich guter Frucht, Gemüse und Handwerksmarkt.

Schon unser erster Ankerplatz hier ist atemberaubend. Die Bucht, welche in einem schönen Sandstrand mündet, ist beidseitig von Klippen gesäumt, auf denen nahtlos ein Wald aus dichtestem Grün anschliesst. Gelegentlich wird dieser von einer Kokospalme überragt. Das Wasser ist auch hier in Tonga so klar, dass wir den Boden zwanzig Meter unter unserem Schiff problemlos sehen können. Leider ist es nur für eine kurze Zeit wirklich gemütlich, bevor der Wind, welcher uns aus Niue vertrieben hat, auch Tonga erreicht. Auch wenn es zum Ankern jetzt etwas ungemütlich ist, wären wir ja nicht wir, würden wir die Chance nicht nutzen und Kitesurfen zu gehen. Also machen wir uns mit Tom von der “Que Mas” den wir bereits von Aitutaki her kenne auf die Suche nach einem Kitespot. Bald schon merken wir, dass unser geplanter Ankerplatz bei so starkem Wind fast nicht anlaufbar ist und so entscheiden wir uns an einem etwas besser geschützten Platz eine Nacht zu verbringen. Kaum angekommen, klopft es auch schon an unserem Schiff. Es ist Hugh aus Südafrika. Und wie sich ein paar Minuten später herausstellt, ist Hugh ebenfalls ein begeisterter Kitesurfer. Und Hugh kennt auch den besten Kitespot hier in der Gegend. Also schmieden wir kurzerhand einen Plan. Am nächsten Morgen soll es kurz nach Sonnenaufgang losgehen.

Nach ungefähr 3 Seemeilen ankern wir an einem sandigen Abhang hinter einer winzigen Insel mit einem umlaufenden Sandstrand und einem kleinen Kokoswäldchen. Der Windmesser pendelt zwischen 24 und 27 Knoten. Leonie fährt den 4.5 m Kite, ich bin mit dem 7 m Kite leicht überpowert. Für Tom sind diese Bedingungen leider nicht Kitebar, er versucht es zwar mit meinem 7 m Kite, ist jedoch vom schnellen Kite und den hohen Wellen total überfordert. Leonie und vor allem Hugh scheinen bei dem starken Wind jedoch so richtig aufzublühen. Leonie, weil sie endlich wieder ihren Lieblingskite fliegen kann, Hugh, weil er sich von Kapstadt nichts anderes gewohnt ist.

Nach dem Kiteausflug führt uns ein ganz spezielles Ereignis zurück nach Neiafu. Das Vava’u Bluewater Festival steht an. Ein Festival speziell für Segler! Eine Woche lang rennen wir von Abendessen zu Infoveranstaltung, von Party zu traditionellen Tänzen. Die neuseeländische Biosecurity (Diejenigen, die schauen, dass keine fremden Lebewesen eingeschleppt werden) aber auch verschiedene Marinas aus dem Norden von Neuseeland sind vor Ort, um uns über die Überfahrt, die Ankunft und die Möglichkeiten in Neuseeland zu informieren. Aber auch die örtlichen Behörden, Tourismusverantwortlichen und die lokale Werft bieten uns ein abwechslungsreiches Programm.

Das Highlight der Woche war ganz klar die Spassregatta am Mittwoch. Dreizehn Segelschiffe melden sich an, um auf einem fast 30 Meilen langen Kurs um die Wette zu segeln. Bei traumhaften Bedingungen fällt um 9:30 Uhr der Startschuss. Jede Crew springt so schnell sie können auf ihr Dinghy, fährt zum eigenen Schiff und versucht so schnell wie möglich loszukommen. Bis zur ersten Boje dürfen wir mit dem Motor fahren. Dann gehen vor uns einer nach dem anderen die Spinnacker auf. Bei der Startboje sind wir auf Platz 7. Dann jedoch haben wir Probleme mit unserem Gennacker. Wir müssten fast genau 180 Grad vor dem Wind segeln und bei diesem Windwinkel steht ein Gennacker einfach nicht. Nach kurzem Hin und Her entscheiden wir uns kurzerhand, den Hals des Segels (die Ecke vorne unten) anstatt am Bugspriet (eine Verlängerung vorne am Schiff) auf dem Spinnackerbaum (ein rund 5 m langer Baum) zu fliegen. Nach leichten Startschwierigkeiten steht der Gennacker rund 10 Minuten später endlich. Jetzt können wir die Aufholjagd starten. Den ersten Katamaran überholen wir sofort, danach dauert es etwas länger bis wir langsam auf den dritten Platz vorrücken. Die beiden ersten Schiffe scheinen jedoch unerreichbar. Zwar segeln diese nicht wirklich schneller als wir, doch die beim Start verlorene Zeit können wir nicht mehr aufholen. Am Wendepunkt holt uns dann auch noch ein extrem schneller Katamaran auf und überholt uns kurz danach. Auf der Kreuz gegen den Wind können wir diesen zwar ganz leicht einholen, überholen liegt aber auch nicht mehr drin. So beenden wir die Regatta auf dem unrühmlichen vierten Platz. Am Abend, bei Grilladen und Getränken sind die Resultate dann aber vergessen und man gratuliert einander zu dem geleisteten und geniesst einen schönen Abend.

Am Donnerstag sind wir zu einem ganz speziellen Tag eingeladen. Die lokale Bibliothek hat ein Kulturtag organisiert. Wir werden mit Bussen auf die andere Seite der Insel gefahren, wo wir unser traditionelles, im Erdofen gekochtes Essen zubereiten, Kindern beim traditionellen Tanz zuschauen und die lokalen Sportarten kennenlernen. Die Männer üben Speerwerfen, die Frauen Jonglieren. Das Essen besteht, neben den zwei Schweinchen, welche am Spiess gebraten werden, aus in Blättern eingepacktem Fleisch und Gemüse, welches klein geschnitten wurde. Schon bevor wir angekommen sind, wurde in einer tiefen Grube ein grosses Feuer gemacht. Jetzt wird, nach einer dicken Schicht Palmblätter, das in ebenfalls in Palmblätter eingepackte Essen in die Grube gelegt, um danach mit einer weiteren dicken Schicht Palmblätter gedeckt zu werden. So verpackt, lassen wir alles rund 2 bis 3 Stunden garen. Das Essen ist für unseren Geschmack etwas zu Fleischlastig und schmeckt etwas gar rauchig.

Das Bluewater Festival endet wie es begonnen hat, mit Speis und Trank, Musik und 150 Seglern die gemeinsam Feiern.


2 Comments

Irene Ott · November 12, 2023 at 10:17 pm

Ihr seid soeben in Neuseeland angekommen. Herzliche Gratulation!
12.11.23

    SY Jollity · November 13, 2023 at 4:00 am

    Hallo Irene
    Vielen Dank! Ja wir haben es endlich geschafft!

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