Es ist der 15. Januar 2022, wir waren damals noch in den Bahamas, als der Hunga Tonga Vulkan ausbricht. Um 17:14 Uhr beginnt eine Eruption, welche als stärkste je gemessene Explosion werden soll. Zehn Kubikkilometer Gestein und Sedimente werden bis zu 60 km in die Atmosphäre geschleudert. Eine Explosion, welche bis ins 10000 km entfernte Alaska zu hören war (was wohl der Lauteste je nachgewiesene Knall ist) und dessen Druckwelle viermal um den Erdball reiste. Ein Tsunami von rund 1,2 Meter Höhe fegt über Tonga hinweg und hinterlässt vielerorts Zerstörung. Etwas, das uns die nächsten Wochen immer wieder auffallen wird.

Im Moment tobt da draussen mal wieder ein kleiner Sturm. Dieses Mal sind wir aber zum Glück im gut geschützten Hafen von Neiafu am Anker. Etwas angespannt sind wir aber trotzdem, denn unsere nächsten Gäste, Susumo und Chai sind genau in dieser Nacht mit der Fähre unterwegs von der Hauptinsel von Tonga zu uns. Eine Fahrt, die fast 20 Stunden dauert. Erst am Morgen, als wir die rote Fähre in der Einfahrt zur Bucht entdecken, sind wir etwas beruhigt. Das Schiff ist bei weitem nicht so klein, wie wir befürchtet haben. Trotzdem sind die beiden bei der Ankunft etwas bleich im Gesicht. Jetzt gilt es erst einmal auszuschlafen.

Die nächsten Tage beruhigt sich das Wetter auch etwas und wir können endlich bei wenig Wind und Sonnenschein die Vava’u Inselgruppe entdecken gehen. Mit kristallklarem Wasser, wunderbaren Riffen, saftigen Regenwäldern und spannenden Felsformationen bietet alleine diese kleine Inselgruppe schier endloses Potenzial zum Entdecken. Wir schnorcheln in Höhlen, paddeln durch türkisblaues Wasser, wandern entlang von zerklüfteten Klippen und besuchen eine einsame Sandbank. Auch die Unterwasserwelt ist einzigartig schön. Es gibt eine Vielzahl von Fischen, aber besonders erfreut sind wir über die lebendigen und farbigen Riffe, die es hier, für uns zum ersten Mal im Pazifik, zu geben scheint. Doch besonders hier zeigt sich, was für eine Verwüstung der Tsunami angerichtet hat. Während einige Riffe noch unglaublich schön sind, sind andere komplett kahl rasiert als wäre eine Dampfwalze über sie gefahren. Was ja irgendwie auch stimmt.

Nach einer knappen Woche ist es dann Zeit für uns weiter Südlich zu fahren. Noch einmal Einkaufen in Neiafu. Von den Behörden eine Fahrbewilligung zur nächsten Inselgruppe abholen gehen und dann gehts los. Unser Ziel ist Ha’apai, die mittlere der drei grossen Inselgruppen von Tonga. Mit dem ersten Licht des Tages fahren wir in Neiafu los. Der Wind ist perfekt, die See, dank den vorgelagerten Riffen flach und die Fischgründe ergiebig genug, dass wir am Nachmittag sogar noch einen Thunfisch an der Angel haben. So dürfte Segeln immer sein!

Wenige Tage später, wir sitzen am Strand einer kleinen einsamen Insel, trinken eine soeben geerntete Kokosnuss und geniessen einen Sonnenuntergang, wie er sonst nur auf Postkarten zu finden ist. Genau so haben wir uns das Segeln im Südpazifik vorgestellt. Sowieso sind die Strände hier in den Ha’apai ein Traum. Das Meer spült hier feinsten Sand mit Tausenden von Muscheln, Schneckenhäusern und Korallen an und so gibt es immer etwas zu Entdecken. Das Sahnehäubchen ist dann, dass wir mit gutem Wind zwischen 15 und 25 Knoten verwöhnt werden und deshalb fast täglich eine Kitesession einlegen können, bis wir vor lauter Muskelkater kaum noch aufstehen können.

Die ganze Zeit mit dabei, irgendwo im Hinterkopf eingenistet, ist jedoch eine gewisse Nervosität. Die kommende Überfahrt nach Neuseeland bereitet uns mehr sorgen als sie sollte. Das Wetter spielt im Moment verrückt. Soeben ist der erste Cyclon (Hurrikan der Südsee) unterwegs nach Neuseeland und ansonsten ist der Weg nach Neuseeland dominiert von Starkwind, Gegenwind oder kompletter Flaute. Jeden Tag studieren wir die verschiedenen Wettermodelle, hören uns Expertenmeinungen an und versuchen uns einen Plan zurechtzulegen. Dreimal sind wir kurz davor aufzubrechen, nur um dann doch wieder zu verschieben.

Auch die Jollity müssen wir natürlich wieder vorbereiten und beim Wechseln des Grosssegels passiert uns ein kleines Malheur und wir haben einen rund ein Meter langen Riss in der Lazybag (die Tasche, in welcher das Grosssegel eingepackt ist). Nach einigen Versuchen im von Hand nähen von Leonie, welche vor allem laute Flüche und wenig Genähtes produziert haben, werden wir kreativ mit der Nähmaschine. Ein Kiteboard, ein Verlängerungskabel, etwas Muskelkraft und eine halbe Stunde später ist die Lazybag wieder voll funktionsfähig.

Und dann ist es so weit. Zumindest für eine Fahrt bis zum Minerva Riff, welches auf rund einem Viertel der Strecke bis Neuseeland liegt, ist super Wind angesagt. So setzten wir die Segel und verabschieden uns von Tonga. Das Letzte, was wir von Tonga sehen, sind zwei kleine Inseln: Hunga Tonga und Hunga Ha’apai. Die Überreste einer einst zusammenhängenden Insel, welche sich im Januar 2022 in einer grossen Explosion über den halben Erdball verteilt hat.

Langsam verschwindet Tonga am Horizont und für uns beginnt die erste Nacht auf See. Die Wachen werden eingeteilt und nach einem guten Abendessen versuchen wir trotz gutem Wind schlaf zu finden.


3 Comments

Anonymous · November 19, 2023 at 8:34 am

Sehr schöne Fotos. Danke für den Bericht

    Marlise · November 23, 2023 at 8:34 pm

    Freue mich über Eure Message! Wunderschöne Bilder

cosy · November 23, 2023 at 8:04 am

merci beaucoup für euren blog. Die Photo vom Mond in der Nacht ist soooo genial!

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