Im morgendlichen Nebel Motoren wir los Richtung Southwest Harbor auf Mt. Desert Island. Immer wieder ertönt ein Motorengeräusch von den Lobsterbooten, zudem ist wieder Slalom um die auftauchenden Lobster Bojen angesagt. Die Sicht ist gerade mal 100 m und wie immer haben wir Gegenstrom. Mit nur rund einem halben Knoten ist diese zwar nicht stark, doch unter Motor und viel Bewuchs am Unterwasser entschleunigt es uns doch stark. So tuckern wir mit 3.5 bis 4 kn gemächlich durch den Nebel. Blasen ab und zu das Nebelhorn, und hoffen von naheliegenden Schiffen gehört zu werden. Am Ziel angekommen, ankern wir irgendwo zwischen anderen Schiffen, welche an Moorings festgemacht sind, ohne je etwas von der Insel gesehen zu haben. Trotzdem nehmen wir das Dinghy und legen am Towndock an, um einzukaufen und Ersatzteile zu besorgen. Als wir zurückkommen wurden wir überrascht von der Tula die direkt neben uns geankert hat. Ein Wunder, dass sie uns gefunden haben. Wir hatten schon seit wenigen Tagen kaum Telefonempfang um sie zu benachrichtigen, wo wir sind. Auch ist unser AIS ausgeschalten, wenn wir nicht segeln. Am Abend gehen wir zusammen, durch den immer noch dicken Nebel, in die einzige offene Bar im verschlafenen Dorf.

Am nächsten Morgen werden wir durch Sonnen Strahlen geweckt. Mit voller Freude stehen wir auf und sehen uns mal um, wo wir so gelandet sind und machen uns auch gleich bereit, um weiter in den einzigen Fjord an der US-Ostküste zu segeln. Somes Sound welcher Mount Desert Island in eine West- und eine Osthälfte trennt, ist nicht unbedingt das, was uns als Erstes durch den Kopf geht, wenn wir Fjord hören. Wenig Gemeinsamkeiten hat er mit den imposanten Fjorden von Norwegen. Es fühlt sich eher wie eine grosse lange Bucht an. Trotzdem sind zu beiden Seiten Bergflanken (nach Schweizer Sicht Hügel) und nach rund einer Seemeile ragt auf der linken Seite eine knapp hundert Meter hohe Felswand in die Höhe. Genau dort ankern wir in fast zwanzig Meter tiefem Wasser. Im Schatten der Felswand sieht unser Schiff ganz klein aus. Von dort unternehmen wir eine kleine Nachmittagswanderung. Über zwei Gipfel führt uns der Weg, entlang der Oberkante der Klippe, bis auf Mount Acadia. Auf gut 300 Meter über Meer geniessen wir eine sagenhafte Aussicht. Zurück in der Bucht baden wir uns den Schweiss ab und treffen danach wieder auf Tula, welche im späteren Verlauf des Nachmittags wieder neben uns geankert hat.

Am nächste Tag geht es für uns schon weiter bis ans Ende des Somes Sounds. Wir haben eine grosse Wanderung geplant und der Ankerplatz dort bietet eine gute Ausgangslage, um den westlichen Teil der Osthälfte der Insel zu erkunden. Die Wanderung führt uns in einer grossen Runde über sechs Gipfel. Insgesamt rund 20 km und über 1000 Höhenmeter. Manchmal müssen wir in einem alten Bachbett über grosse, nasse Felsen klettern, manchmal sind die Pfade gut ausgebaut und wir rennen ganze Abschnitte bis hoch zum nächsten Gipfel. Jeder Gipfel entlohnt uns mit einer neuen Aussicht über die umliegenden Hügel, Seen, Buchten und Inseln. Im Osten blicken wir über ein Nebelmeer, im Süden über den Atlantik und im Westen sehen wir wie sich der schmale Somes Sound zwischen die Hügel von Mount Dessert Island quetscht.

$Am Mittag sehe ich, dass ich eine Nachricht von Randy erhalten habe, die schon einige Tage alt ist. Zwei Nachrichten später ist klar, sie ankern nur wenige Meilen von uns entfernt am Ausgang vom Somes Sound. Und weil ich ihnen ein Abendessen verspreche, wenn sie zu uns segeln, sehen wir drei Stunden später, als wir zurück beim Schiff sind, die „Imagine“ neben uns stehen. Dann müssen wir wohl oder übel ein Abendessen vorbereiten. Es gibt Chnöpfli, Hackfleischbälle an einer leckeren Rotweinsauce und dazu frische Bohnen.

Leider häufen sich bei der Jollity auch die Probleme wieder. Am Vortag hat die Ankerwinch beim Hochziehen plötzlich nicht mehr ausschalten wollen und der Wassermacher ist, als wir ihn vor drei Tagen starten wollten, überhaupt nicht mehr angegangen. Beziehungsweise hat die Hochdruckpumpe nicht mehr funktioniert. Eine kurze Suche hat schnell ein Problem zutage gefördert, welches dafür verantwortlich sein könnte. Am Eingang der Hochdruckpumpe habe ich vor rund einer Woche eine Schlauchklemme angezogen und dabei wohl den Kunststoffanschluss verbrochen. Gut möglich, dass ein Stück davon jetzt die Pumpe verklemmt. Um das zu beheben, müssen wir jetzt aber die ganze 70 Bar Hochdruckpumpe auseinandernehmen und reinigen. Dabei entscheiden wir auch der ganze Rest des Wassermachers mal auseinander zu bauen und ebenfalls zu reinigen und neu zu dichten, da wir bereits an einigen Stellen kleine Lecks haben. Ein Tagesprojekt wird das. Aber es ist auch spannend. Und am Ende springt die Hochdruckpumpe tatsächlich wieder an. Juhuii! Das wäre sonst teuer geworden. Leider ist jetzt alles noch viel undichter. Vor allem der Hochdruckanschluss am Ausgang der Pumpe und die Frischwasserverschlauchung direkt nach den Membranen lecken stark. Das Hochdruckteil versuchen wir noch zu dichten, machen es dabei aber kaputt. Das Messingteil haben wir beim Reinschrauben einfach der Länge nach zerrissen. Die Frischwasserverschlauchung ist mit einem Stecksystem gemacht, welches nicht mehr dicht zu kriegen ist. Das werden wir komplett durch Schläuche ersetzen müssen. Der Anker funktioniert zwar vorerst auf mysteriöse Weise wieder, aber auch dieses Problem müssen wir früher oder später lösen. Elektrisches repariert sich ja leider selten einfach von selbst wieder. Später wird sich herausstellen, dass die Kontakte beim Relais verbrannt sind und ersetzt werden müssen.

Trotz der nicht ganz gelösten Probleme fahren wir am nächsten Tag weiter. Es geht raus aus dem Somes Sound in den Süden der Insel, um von dort aus andere Teile des Acadia National Park erkunden zu können. Wir ankern in Seal Harbor von welchem aus man nach einem kurzen Spaziergang zu einer Bushaltestelle kommt, von welcher aus der Nationalparkshuttle seine Runde dreht. Der Perfekte Ausgangspunkt. Am nächsten Morgen, wir sind soeben dabei unser Rucksack zu packen, hält neben uns ein Motorboot an. Und einmal mehr werden wir auf Schweizerdeutsch begrüsst. Nachdem wir uns vorgestellt haben, machen wir mit Jürg am nächsten Tag zum Klettern ab. Er ist Bergführer in der Schweiz und geht, wenn er im Sommer hier in Maine ist, oft klettern. Danach machen wir uns sofort auf den Weg. Die erste Wanderung führt uns über die steile Ostflanke durch hohe Felswände auf den Dorr Mountain. Dabei müssen wir immer wieder über Stahlleitern senkrechte Wände hochklettern und über schmale Simse mitten in der Felswand balancieren. Ungefähr so muss der Weg ausgesehen haben, den Frodo und Sam zum Cirith Ungol hochgeklettert sind, mit dem kleinen Unterschied, dass bei uns strahlender Sonnenschein ist und unser Rucksack mit frischen Sandwiches aus selbst gebackenem Zopf gefüllt ist. Ah und natürlich, dass uns oben auf dem Gipfel nur ein Frosch und keine Spinne erwartet. Wer den letzten Blogeintrag gelesen hat, weiss schon welches Buch ich gerade am Lesen bin, für die anderen dürfte es nicht sehr schwer zu erraten sein. Danach führt uns der Weg durch mit Felsen gespickte Föhrenwälder, entlang von Schilf verwachsenen Moorlandschaften und durch lichte Birkenwälder auf noch drei weitere Berge.

Der Aufstieg am nächsten Tag ist noch steiler. Dieses Mal hat es auch keine Stahlträger mehr, an denen man hochklettern kann. Drei Seillängen geht es, nur rund 1 km weiter südlich als am Vortag, eine Felswand hoch. Jürg geht voraus und setzt die Sicherungspunkte mit geschickter Hand in die kleinsten Felsspalten. Belohnt werden wir mit einer tollen Aussicht, aber natürlich ist vor allem der Spass am Klettern und das Abseilen, welches darauf folgt das Beste. Später am Tag fahren wir mit Jürg auf einem Motorboot zum wenige Meilen entfernten Southwest Harbor. Wir brauchen dringend das Ersatzteil für den Wassermacher und er ist auf der Suche nach einem passenden Schlauch für sein Schiff. Mit 35 Knoten fliegen wir nur so übers Wasser. Das ist ein ganz anderes Gefühl als mit unserem Schiff!

Auf unsere nächste Wanderung kommt Jonathan mit. Die Tula fährt jetzt schon einige Tage mehr oder weniger mit uns mit und endlich haben wir es geschafft. Franz kann leider nicht mitkommen, weil er sich bei der ersten Wanderung den Fuss verstaucht hat. Und so gehen wir also zu dritt an einem herrlichen Tag noch einmal durch Felswände, über mehrere Gipfel und geniessen noch einmal die Wälder und Felsen des Acadia National Park.


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