Vor unseren Fenstern hängen tief die Wolken und der Himmel ist so nass, dass es immer wieder aus den grauen Fetzen tropft. Wir ankern vor Portland und fragen uns gerade, ob wir wirklich noch an Land gehen wollen. Aber natürlich lassen wir uns von den paar Tropfen nicht aufhalten und so spazieren wir bald durch die Strassen der hübschen Stadt. Und genauso gut könnten wir durch eine Küstenstadt in Südengland gehen. Die Pubs und Spelunken drängen sich an die verregneten Pflasterstrassen. Viele der Backsteinhäuser erinnern in ihrer Architektur an Europa. So nah von zu Hause haben wir uns seit der Überquerung des Atlantiks nicht mehr gefühlt. Und irgendwie gefällt uns das gerade sehr gut. Viel Zeit haben wir hier aber nicht, denn es sieht aus, als hätten wir eine Chance in den Süden zu segeln. Ideal ist das Wetterfenster zwar nicht, aber es ist definitiv Zeit unsere Reise in den Süden anzutreten und es sieht für die nächste Woche nicht so aus als würden wir etwas anderes als Südwind haben. Und während wir zwar gerne auch mal einen Tag mit Gegenwind segeln, versuchen wir das für die langen Schläge doch zu vermeiden. Bis zum Cape Cod sind es rund 120 Seemeilen.

Die Prognose sagt, dass wir während rund 12 Stunden, also die ganze Nacht lang, guten WNW Wind haben sollten. Zwölf Stunden reicht aber auf keinen Fall, um 120 Meilen zu segeln. Und darum sitzen wir jetzt, keine 10 Meilen vor Portland im Meer und treiben bei totaler Windstille dahin. Eigentlich haben wir gehofft bis am Abend um fünf mindestens 30 Meilen zu machen. Da muss der Motor jetzt halt wieder aushelfen. Und das ist erst das erste von einer Häufung unglücklicher Ereignisse. Eine Stunde später, hat es zwar wieder ein wenig Wind, aber am Horizont zeichnet sich eine schwarze Wolkenwand ab. Und wie das für solche Wolken auf dem Meer üblich ist, kommen sie in beängstigender Geschwindigkeit näher. Dann: Inferno! Wir sind gerade noch dabei, die Genua einzurollen. Dann fliegt uns der Regen um die Ohren. Der Wind ist kaum über 25 Knoten, aber der Regen fühlt sich an wie eine kompakte Wand aus Wasser. Als hätte jemand mit einem riesigen Kessel das Meer selbst über dem Schiff ausgeleert. Innerhalb wenigen Minuten verwandelt sich unser Schiff in einen Wasserpark. Überall entstehen Wasserfälle. Zwanzig Minuten später ist es wieder windstill. Der einzige Unterschied scheint zu sein, dass unser Schiff jetzt nass ist. Hinter uns steht noch immer drohend eine dunkelgraue Wolke, die sollte uns aber bei der aktuellen Zugrichtung verfehlen.

Es sind weitere zwei Stunden vergangen, bevor der Wind endlich an Fahrt aufnimmt. Beim Ausrollen der Genua müssen wir leider feststellen, dass wir einen grossen Riss am Achterliek haben. Mist! Das muss wohl beim Einrollen passiert sein. Jetzt stellt sich die Frage, ob wir so weitersegeln wollen, riskieren, dass der Riss noch grösser wird oder im schlimmsten Fall die Genua komplett zerreist. Oder lassen wir sie eingerollt und segeln nur mit Grossegel. Aber wie bereits erwähnt ist unser Windfenster relativ kurz und wir müssen unbedingt vorwärtskommen. Am Ende entscheiden wir uns, trotz 20 Knoten Wind und grossen Wellen auf die etwas kleinere Ersatzgenua zu wechseln. Das heisst wir müssen die flatternde Genua aus der Schiene aufs Vordeck ziehen und dort falten. Danach die neue unter dem Bett ausgraben und in die Schiene einziehen. Das alles dauert fast eine Stunde, geht aber glücklicherweise ohne Schwierigkeiten über die Bühne.

Und dann endlich, wir sitzen gerade beim Abendessen und geniessen den Sonnenuntergang, kommt der Wind. 25 Knoten von der Seite. Vorbei ist das gemütliche Essen. Am Ende ist es aber genau der Wind, auf den wir gehofft hatten. Und so beginnt eine anstrengende Nacht mit grossen Wellen und starkem Wind. Die Jollity schiebt gut Lage während sie mit rund sieben Knoten durch die Wellen stampfen. Schlafen? So gut es geht. Gegen Morgen nimmt der Wind dann langsam ab und kurz vor Sonnenaufgang fahren wir in die Abdeckung von Cape Cod. Die Wellen beruhigen sich stark, der Wind nimmt weiter ab und wir haben einen perfekten Segelmorgen. Wenig später ankern wir vor dem Cape Cod Canal, um auf die Strömung zu warten, welche im Kanal bis zu vier Knoten erreichen kann. Ein kurzer Mittagsschlaf, ein Bad am schönen Sandstrand und ein gutes Essen später brechen wir bei schönstem Sonnenschein auf durch den Kanal.

Kaum sind wir unterwegs, bläst uns ein steifer Wind ins Gesicht. Etwas, das uns schon beim ersten Durchqueren aufgefallen ist. Der Kanal scheint auch den Wind zu kanalisieren und zu verstärken. Und dann geschieht das nächste Unglück. Wir haben unsere Luke auf dem Vorschiff geöffnet, um die Feuchtigkeit und die alte Luft bei diesem guten Wetter auszulüften. Leider sind wir im Kanal nicht alleine unterwegs und gewisse, gut motorisierte Angeber, können es nicht lassen, mit rund 20 Knoten durch den Kanal zu brettern. Einer dieser Trottel macht solche Wellen, dass unser Vordeck komplett gespült wird und literweise Meerwasser auf unserem Bett landen. Doch das soll erst der Anfang sein.

Am anderen Ende des Kanals gibt der Wind kein bisschen nach, sondern wird nur noch stärker. Bald sind wir auf einer Achterbahnfahrt durch drei Meter hohe Wellen, welche durch die starke Strömung, welche gegen den Wind fliesst, entstehen. Die Ausfahrt des Kanals wird so zum Höllenritt. Die letzten zehn Meilen, vom Kanal bis zu einem guten Ankerplatz, müssen wir hart am Wind aufkreuzen. Stundenlang stampfen wir gegen den Wind. So haben wir uns das nicht vorgestellt. Wir sind doch einfach nur müde und würden gerne ankommen. Nach fast drei Stunden kommen wir, genau bei Sonnenuntergang, erschöpft in einer wunderbar ruhigen Bucht an, nur um festzustellen, dass wir die Luke im Vorschiff nicht sauber geschlossen haben. Mittlerweile ist nicht nur eine Welle ins Bett gespritzt. Drei Stunden lang ist uns fast jede Welle ins Schiff gelaufen. Die Matratzen tropfen, die Segel, welche darunter verstaut sind, sind pflotschnass, aus den Kissen können wir das Salzwasser ausdrücken. Was für ein Tag. Das grosse Glück ist, dass wir auf 42 Fuss noch zwei weiter Schlafmöglichkeiten haben, welche wir für die nächste Woche, bis alles gewaschen und getrocknet ist, benutzen können. Manchmal hat es auch Vorteile nicht das kleinste Schiff zu haben.

Nach zwei schönen, aber windige Tagen ist das meiste wieder so gut wie möglich getrocknet. Das heisst aber leider, dass das meiste immer noch feucht ist, denn das Salz aus dem Meerwasser, welches sich überall abgelagert hat, zieht die Feuchtigkeit aus der Luft und macht es praktisch unmöglich Dinge komplett zu trocknen. Dafür müssen wir erst alles mit Süsswasser auswaschen. Eine Tagesmission, welche wir bei unserem zweiten Besuch in Newport in Angriff nehmen. Alles, was in eine Waschmaschine passt, fahren wir an Land und schleppen es zum nächste Waschsalon. Die Matratzen spülen wir an Deck aus. Ein hoch auf unseren Wassermacher und die Solarzellen, dass wir genügen Frischwasser produzieren können, um sogar die Matratzen zu waschen.

In Newport treffen wir auch Philipp, ein Schweizer, und ….. welche wir beim ersten Besuch in Newport kurz gesehen haben. Die beiden wohnen in Newport und wir hatten das Glück, dass wir ein Paket mit einem Ersatzteil für unseren Kühlschrank zu ihnen senden durften. Wir lassen uns gerne von Ihnen die Stadt zeigen und geniessen einen schönen Abend mit gutem Essen. Viel Zeit bleibt uns jedoch auch in Newport nicht, denn so langsam drängt die Zeit da wir einen Termin in Deltaville haben um unser Schiff auszuwassern. Dieses Deltaville ist aber noch mehr als 500 Seemeilen entfernt und so setzten wir zwei Tage später schon wieder unsere Segel, um bei guten Bedingungen Richtung Long Island Sound zu segeln. Dort gehen wir bei einem der grössten Bootsläden der USA dick einkaufen. Wir müssen ja einiges an Reparaturarbeiten machen und brauchen dafür viel neues Material.

Danach gehts direkt weiter. Am Abend segeln wir los und können bei perfekten Bedingungen die ganze Nacht den Long Island Sound runter segeln und fahren so am nächsten Vormittag wie einmal den East River runter nach New York. Wieder einmal sind wir überwältigt von der unglaublichen Kulisse während wir nur wenige Meter neben Wolkenkratzern vorbeifahren welche hunderte Meter in die Höhe ragen. Einen Halt machen wir dieses Mal aber nicht mehr. Es geht direkt weiter nach Sandy Hook und nach einer ruhigen Nacht auch schon wieder Offshore um die nächsten 120 Meilen bis zur Delaware Bay zu segeln. Was für sagenhafte Bedingungen. Wir Segler haben ja immer das Gefühl, das Wetter und der Wind hätte sich gegen uns verschworen. Jetzt müssen wir hier aber auch mal dankend anmerken: Besser hätte es nicht sein können. Seit Newport haben wir immer genau die richtigen Bedingungen. Und so geht es einen Tag darauf wieder bei genau dem richtigen Wind die Delaware Bay hoch und durch den Chesapeake-Delaware Kanal in die Chesapeake Bay. Jetzt ist Deltaville in Reichweite und wir haben noch zwei Wochen Zeit!

Diese zwei Wochen verbringen wir im Wunderbaren Annapolis. Beginnen bereits mit ersten Streicharbeiten auf unserem Deck und machen ein Besuch in Washington DC. Schauen uns das Weisse Haus und das Capitol an und besuchen die grossartigen und kostenlosen Musen in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten.


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