Zwei Zentimeter. Zwei Zentimeter dick hängen die Meeresbewohner an unserm Rumpf. Die Jollity hängt in zwei Gurten an einem grossen Kran. Langsam hebt sich das schwere Schiff aus dem schmutzigen Wasser der Chesapeake Bay und entblösst die Schiffsschraube, das Ruder und schlussendlich auch den Kiel. Träge tropft das Wasser vom Rumpf zurück in die grüne Suppe darunter, während unser schönes Schiff mit dem Kran an Land gefahren wird. Endlich sehen wir auch den Grund wieso wir in den letzten Monate kaum noch vorwärtsgekommen sind. Ein kleines Riff hat sich an unserem Rumpf gebildet und ist mit uns entlang der Ostküste hoch und runtergefahren. Ein guter Hochdruckreiniger und eine Stunde später ist der Rumpf wieder sauber. Der Kran rollt zwischen vielen anderen Schiffen auf Stelzen hindurch, und wenig später steht auch die Jollity, mitten in der Werft, auf ihren eigenen Stelzen. Mächtig sieht sie aus, wie die Bordwand dreieinhalb Meter über uns aufragt. Oben stehend packt uns fast die Höhenangst. Definitiv ein Gefühl an das wir uns erst noch gewöhnen müssen.

Rund um uns drängen sich andere Schiffe. Viele sind nur abgestellt, aber auf nicht wenigen wird jeden Tag gearbeitet und auch gewohnt. Und so werden die Schiffe bald mit Gesichtern verknüpft und aus den Gesichtern Bekanntschaften. Bald fühlen wir uns sehr wohl in der Werft, welche wie ein kleines Dorf ist. Man kennt sich, man hilft sich. Immer mal wieder taucht ein neues Gesicht auf und genauso oft verschwindet irgendwo ein Schiff und hinterlässt eine Lücke, die jedoch bald darauf wieder gefüllt wird. Man sagt gerne Tschüss, denn dies bedeutet jeweils, dass die Arbeit getan ist und das Abenteuer starten kann. Oft sitzen wir fürs Abendessen im Unterstand bei der Marina, werfen den Grill an und hören uns die Berichte über die Tagesfortschritte der anderen an.

Leider kann man nur Feierabend machen, wenn man vorher gearbeitet hat. Und die Liste mit Dingen welche erledigt werden müssen in den kommenden Wochen ist lange, sehr lange. Wir arbeiten jeden Tag von morgens bis kurz vor Sonnenuntergang, um möglichst rasch alles erledigt zu haben und zurück ins Wasser gehen zu können. Denn am trockenen zu stehen bringt einige Unannehmlichkeiten mit sich. Wir müssen jetzt jeweils 5 Minuten zur Toilette laufen, weil wir die Bordtoilette nicht mehr benutzen können. Auch der Abwasch versuchen wir möglichst „klein“ zu halten, um den Boden unter dem Schiff nicht mit Essensresten zu sprenkeln. Und so haben wir uns beim Schleifen, Spachteln und Streichen kaum eine Pause gegönnt.

Seit dem Kauf vor zwei Jahren ist das Schiff immer im Wasser gewesen und so sind wir wenig erstaunt, dass wir am Unterwasser einiges machen müssen. Leider stellt sich bald heraus, dass sich an mehreren Stellen der Spachtel vom Rumpf gelöst hat. Einerseits haben wir eine Flickstelle, wo die alte Antriebswelle durch den Kiel geführt worden ist. Dort hat sich ein Loch in das Aluminium gefressen, weil bei der Demontage, ein Ring aus rostfreiem Stahl in dem Rohr, welches die Welle aufnimmt, vergessen wurde. Vermutlich handelt es sich um ein Teil eines der Wellenlager. Beim genauen Untersuchen stellen wir fest, dass sich auch die Lackierung an verschiedenen Stellen vom Bleikiel ablöst. Darum suchen wir nach jeder Stelle mit loser Farbe und bessern sie aus. Auch am Ruder hat es verschiedene Stellen, an denen die Spachtelmasse sich löst. Dabei finden wir auch teilweise leichte Korrosion am Aluminium. Jedoch nichts, das uns grosse Sorgen bereiten muss. Die grösste Flickstelle ist jedoch unter dem Motor auf der Aussenseite. Als vor 17 Jahren ein neuer Motor montiert wurde, haben sie auf der Innenseite eine neue Halterung in das Schiff geschweisst. Dadurch muss sich durch die Hitze der Spachtel an der Aussenseite gelöst haben. Das Aluminium welches darunter zum Vorschein kommt, ist jedoch noch in sehr gutem Zustand und komplett frei von Korrosion.

Zusätzlich zum Unterwasser haben wir auch den S-Antrieb gewartet. Auch eine Arbeit welche nur am trockenen durchgeführt werden kann. Dafür haben wir den Antrieb vom Motor getrennt, auseinandergeschraubt und alle Dichtungen ersetzt. Diese Arbeit war seit dem Kauf auf unserer To-do-Liste und jetzt endlich auch abgeschlossen. Auch der Motor hat einiges an Pflege erhalten und wir haben einen neuen Regler für die Lichtmaschine installiert, welcher mit einem Temperatursensor die Temperatur an der Lichtmaschine kontrollieren kann und ihn so vor Überhitzung schützt. Endlich können wir also auch unsere Lithium-Batteriebank laden ohne Angst haben zu müssen, dass wir die Lichtmaschine anzünden.

Danach folgt sehr viel Arbeit mit dem Farbkübel, Pinsel und Roller. Epoxid Wasserbarriere, neues Antirutsch auf dem Deck, Unterwasser Farbe, Wasserlinie, Küche und vieles mehr erhält einen neuen Anstrich, um die Jollity wieder in bestem Licht erscheinen zu lassen. Das ist eine aufwändig, aber sehr befriedigende Arbeit. Schlussendlich kann man nach jedem Anstrich einen tollen Fortschritt sehen. Eine wahre Freude!

Am Ende bleib sogar noch Zeit den Rumpf zu polieren. Nie hätten wir gedacht, dass wir je unseren Rumpf polieren würden. Naja, es soll anscheinend helfen, die Farbe zu schützen und eventuell den Tag, an dem wir den Rumpf neu lackieren, müssen noch ein wenig hinauszögern. Das behaupten zumindest die Hersteller der Poliermittel.

Dann ist die Jollity wieder ready fürs Wasser. Zurück in ihr Element. Eine angenehme Spannung liegt in der Luft, die letzten Nachtschichten werden geschoben. In letzter Minuten malt Leonie noch einen Oktopus auf unser Heck und dann steht der Lift schon wieder bereit. Es ist ein sonniger Montag-Vormittag und die Jollity wird an zwei Gurten hängend langsam wieder ins Wasser gelassen. Alle Seeventile werden gecheckt. Die neue Dichtung am Antrieb nehmen wir besonders genau unter die Lupe. Der Motor startet. Die Toilettenspülung funktioniert. Alles ist dicht. Wir sind endlich zurück auf dem Wasser!

In den folgenden zwei Wochen bleiben wir noch vor Anker direkt bei der Marina und erledigen viele kleine Arbeiten. Am Ende muss unsere Chaos-Ecke, welche in der alten Küche entstanden ist, sogar noch einer neuen Werkbank Platz machen. Die Farbkübel werden wieder weggeräumt und nach und nach verschwinden alle Dinge wieder an ihren Platz. Das ist als würde man einen übervollen Sack gut durchschütteln damit alles ein wenig kompakter wird und man am Ende noch etwas obendrauf packen kann. Und mit dem Verschwinden der Baustelle kommt die Sehnsucht nach dem Meer. Endlich wieder hinauszufahren und neues zu entdecken. Und so ist es jetzt an uns Tschüss zu sagen und unsere Leinen loszuwerfen.


4 Comments

Irene und Nik · November 24, 2021 at 3:49 pm

So ein wunderschönes, nigelnagelneues Schiff! Wir gratulieren zu euren vielseitigen Begabungen und grossem Durchhaltewillen und wünschen euch viele herrliche Segeltage im richtigen Element!

    SY Jollity · November 24, 2021 at 4:41 pm

    Vielen Dank für die lieben Wünsche. Wir versuchen natürlich jede Minute unserer Reise aus vollen Zügen zu geniessen.

Roli Kuhn · December 22, 2021 at 8:28 pm

Hallo Zusammen
Ich wünsche euch weiterhin viel Spass und freude auf dem Wasser. Lese immer wieder gerne eure Berichte und staune b den tollen Fotos.
Wünsche euch ganz schöne Festtage und alles Gute und Glück im 2022, wo immer ihr auch segelt.
Herzliche Grüsse
Roli / Fao

    SY Jollity · December 23, 2021 at 5:53 pm

    Hallo Fao
    Viel Dank für die lieben Wünsche und auch dir ganz schöne und besinnliche Festtage. Es ist toll zu sehen und motiviert uns sehr, dass unser Blog gerne gelesen wird.

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