Diese Geschichte fängt morgens um vier in einem kleinen, reinweiss beleuchteten Raum an. Ich sitze auf einem harten Stuhl, mir gegenüber sind zwei Holzpulte mit Glasscheiben. Hinter jedem Pult steht ein übergrosser, weisser, zerschlissener Kunstlederstuhl. Auf einem davon sitzt der Zollbeamte über ein Formular gebeugt. Der Raum hat drei Türen. Zwei davon sind von innen mit einem Vorhang verhüllt, welcher sogar unsere Grosseltern als altmodisch bezeichnen würden. Die dritte fehlt. Ein Durchgang führt in einen zweiten Raum, aus welchem jede Minute ein Piepsen zu hören ist und in unregelmässigen Abständen jemand auf einem Stuhl zurecht rutscht. Ansonsten ist nur der Stift, der über das Papier kratzt, zu hören.

Wir haben gerade eine sehr ruhige, aber kurze Segelnacht hinter uns und wollten eigentlich, in Havanna angekommen, gerade gemütlich schlafen. Doch kaum im Bett klopft es an unser Schiff. Die „Guarda Frontera“ arbeitet offensichtlich auch in der Nacht. Wann immer wir von einem Hafen zum nächsten segeln wollen, brauchen wir eine Fahrbewilligung der „Guarda Frontera“ und in jedem neuen Hafen müssen wir die Bewilligung zeigen, sie müssen alle unsere Daten in ein Formular schreiben und das Schiff wird aufs neue inspiziert. Bei der Einreise mussten wir unser Satellitentelefon und die Drohne versiegeln lassen. Seither wird bei jeder Ankunft und bei jeder Abfahrt das Siegel kontrolliert und ein Foto davon gemacht. Deshalb sitze ich jetzt im Halbschlaf in dem kleinen Büro und versuche alle paar Minuten eine auf Spanisch gestellte Frage zu verstehen. Das offizielle Formular hat der Beamte, nachdem es bereits halb ausgefüllt war, beiseite gelegt und schreibt jetzt ein neues Formular komplett von Hand. Anscheinend haben sie kein vorbereitetes Formular für Schiffe in Privatbesitz. Ich beantworte Fragen nach Schusswaffen, Notraketen, Kommunikationsmittel und vielem mehr. Nach einer knappen Stunde ist endlich alles fein säuberlich aufgeschrieben und es folgt nur noch die Inspektion des Schiffes. Für uns bedeutet das, dass wir endlich schlafen können.

Wenige Stunden später, es wird schon langsam warm im Schiff, weil die Sonne bereits auf das Deck brennt, klopft es wieder. Derselbe Zollbeamte. Er will, dass wir umparkieren. An dem Tag machen wir nicht mehr allzu viel. Nach der kurzen Nacht sind wir müde und so erledigen wir einige Arbeiten am Schiff, kochen eine leckere Lasagne und gehen früh ins Bett. Am nächsten Morgen steht nämlich pünktlich um neun unser Taxichauffeur mit seinem Chevrolet bereit.

Bis in die Altstadt von Havanna sind es eine rund 20-minütige Autofahrt mit dem Oldtimer. Unser Fahrer zeigt uns immer wieder spezielle Gebäude entlang der Route und in der Innenstadt angekommen gibt er uns noch letzte Tipps für die Erkundung von Havanna. Die Touristenrestaurants seine viel zu teuer und wir sollen ja kein Geld wechseln, denn oft würden wir hier im touristischen Zentrum Falschgeld erhalten. An diesem Tag wurden wir mindestens 30-mal gefragt, ob wir nicht Geld wechseln wollen.

Die Währung hier in Kuba ist der kubanische Pesos. Doch auch der US-Dollar ist ein weit verbreitetes Zahlungsmittel. In vielen Supermärkten kann nur in USD und mit der Kreditkarte bezahlt werden. Dort ist es oft möglich Wasser, Rum, aber auch Haushaltswaren zu kaufen. Auf dem Markt oder im Restaurant bezahlen wir jedoch immer in Pesos. Das Geld wechseln ist jedoch verzwickt. Was genau der offizielle Umrechnungskurs von einem US-Dollar ist, haben wir nie ganz herausgefunden. Fragt man Google, erhält man einen Kurs von ungefähr 24 Kubanische Pesos für einen Dollar. In der ersten Marina wurde mit einem Wechselkurs von 120, in einem Restaurant für Touristen sogar 130 Pesos für einen Dollar gerechnet. Auf dem Schwarzmarkt wiederum kriegt man für einen Dollar sogar 165 Pesos. Wir hatten das Glück, in der letzten Marina Debbie kennenzulernen, eine dort gestrandete Seglerin aus Kanada, welche seit 22 Jahren in Kuba auf ihrem Segelschiff lebt. Dank ihr konnten wir zu einem sehr guten Kurs von 160 zu eins wechseln. Zur Einordnung: ein Bier im Restaurant kostet zwischen 60 und 200 Pesos, eine Mahlzeit zwischen 300 und 1000, eine Papaya auf dem Markt rund Hundert, eine Salatgurke kriegt man gar für 10-20 Pesos. Und auch der typisch kubanische Kaffee, ein Espresso aus der Thermoskanne mit viel Zucker, ist in den Strassen von Havanna für gerade einmal 10 Pesos, also rund 7 Rappen, zu haben. Obwohl das alles sehr preiswert klingt, müssen die Preise hier in Kuba in den letzten 3 Jahren regelrecht explodiert sein und im Vergleich zu einem kubanischen Einkommen von rund 150 US-Dollar im Monat scheinen die Preise für gewisse Früchte und Gemüse oder ein Essen im Restaurant plötzlich doch sehr teuer.

Doch fertig mit dem Rechnen, wir wollen uns doch endlich Havanna anschauen. Also einfach mal eine der vier Strassen runter gehen welche von der engen Strassenkreuzung weg führen. Nach kurzer Zeit kommen wir bereits an einen der vielen wunderschönen Parks, die es in Havanna gibt. Alle sind sie klein, aber gepflegt und sauber. Generell ist hier in Kuba alles sehr sauber. Immer wieder sehen wir jemand eine Strasse wischen. In den Restaurants wird gefühlt viermal am Tag der komplette Boden frisch aufgenommen und wir haben uns sagen lassen, dass sogar der Abfall getrennt und recycelt wird.

Das alles kann jedoch nicht über den Verfall von Havanna hinwegtäuschen. Überall stehen Ruinen. Immer wieder fehlt ein halber Stock oder ein Innenhof ist mit den Überresten von alten Mauern gefüllt. Doch die Kubaner wären ja nicht Kubaner, wenn sie nicht das beste daraus machen würden. In den Gemäuern von alten Häusern werden Autowerkstätten und Gemüsemärkte eingerichtet. Und weil zerfallene Gebäude keine Schönheiten sind, wird mit Farbe nachgeholfen. Überall sind wahre Kunstwerke an die Mauern und Türen gepinselt.

Wir schlendern durch die Strassen, geniessen einen kühlen Drink und verpflegen uns auf der Strasse mit frisch gebackenen Churros. Und so vergeht der Tag wie im Fluge und wir machen uns langsam Gedanken über die Rückfahrt zum Schiff. In einem dieser alten Cabriolets zu fahren wäre doch etwas! Gesagt, getan. Wenig später sitzen wir auf der Rückbank eines rosaroten Ford… Auf dem Parkplatz… Er springt nicht an. Auch das gehört dazu. Bald schauen sechs Köpfe unter die Motorhaube und beraten sich, was das Problem sein könnte. Nach einigem Hin und Her dann die Lösung. Die Karre wird angeschoben!

Jetzt sitzen wir müde wieder in unserem Schiff. Nur unsere T-Shirts erinnern noch an unseren Besuch in Havanna. Sie riechen nach Abgasen und verbranntem Öl. Der Duft von Kuba.

Categories: KubaTravel

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