Rund um uns brodelt das Meer. Überall steigen Blasen auf und es stinkt nach Schwefel. Plötzlich vernehmen wir ein leises Grollen. Die Wasseroberfläche kräuselt sich erst leicht, dann immer stärker. Eine Welle breitet sich von uns aus gehend in alle Richtungen aus, rundum werden die anderen Schiffe durchgeschüttelt. Dann ist wieder Ruhe. Jedoch nur für einige Augenblicke bevor, ein diesmal viel lauteres Grollen zu vernehmen ist. Jetzt springen überall in der Bucht die Fische und Rochen, ein Mantarochen landet bei uns auf dem Vordeck. Zum Retten bleibt keine Zeit, denn im selben Moment werden wir, wie von unglaublich starken Händen hochgehoben, und durch die Luft geschleudert. Das Meer hat sich in flüssiges Feuer verwandelt und schiesst an uns vorbei in den Himmel. Es ist blendend hell. Ich blinzle, reibe mir die Augen. Die Sonne brennt mir auf das Gesicht, doch bei einem Blick über die Reling erblicke ich nur üppig grün bewachsene Berge, an deren Gipfel interessante Wolkengebilde hängen. Langsam verblasst die Erinnerung an den Traum und ich komme zurück ins hier und jetzt. Wir ankern inmitten einer riesigen Bucht in Nuku Hiva. Ausser gegen das offene Meer hin, sind wir von hohen Bergflanken umschlossen. Es fühlt sich tatsächlich an, als würden wir im Krater eines alten Vulkans ankern.

Nachdem wir gestern nach einer erstaunlich guten und vor allem schnellen Pazifiküberquerung hier angekommen sind, waren wir heute Morgen zum erstem Mal an Land. Direkt am Steg hat es ein Früchte- und Gemüse-Markt. Zehn Schritte weiter steht man auf der Hauptstrasse, welche gesäumt ist von Bananen und Pampelmusebäumen, schwer behangen mit reifen Früchten. Vor der lokalen Postfiliale liegen die reifen Limetten überall auf dem Boden verteilt, weil niemand sie geerntet hat. Uns kommt das nach 20 Tagen ohne Zugang zu Frischwaren vor wie das Paradies. Wenn man die Umgebung genauer betrachtet, könnte man leicht auf den Gedanken kommen, dass dies hier tatsächlich das hochgelobte Paradies sein könnte. Eine Landschaft imposanter als man es sich vorstellen kann. Die Erde so furchtbar, dass mehr Essen wächst als die Menschen dort je essen können. Und Menschen, so gastfreundlich, zuvorkommend und lebensfroh wie man es nur sein kann. Die Marquesas sind ein wirklich ganz spezieller Ort.

Noch am selben Tag machen wir einen Spaziergang entlang der Ostseite der Bucht bis ganz nach vorne. Von hier aus hat man eine exzellente Aussicht in die Bucht hinein und über die geankerten Schiffe. Die Sonne und die Wolken werfen Sonnenstrahlen über die sattgrünen Hänge und tauchen die Szene in ein magisches Lichtspiel. Apropos Tauchen. Lukas und Jonas mit seinem neu erworbenen Tauchschein versuchen natürlich sofort ein Tauchgang zu organisieren. Dank der ausgezeichneten Hilfe der Dame in der Touristeninformation haben wir wenig später einen Termin für den nächsten Tag. Das Tauchen an den Steilklippen der Insel ist ein Erlebnis. Neben einer Vielzahl von Fische, vielen Muränen und mehreren Tintenfischen sehen wir auch hier wieder einen Hammerhai. Ganz speziell sind für uns jedoch die Mantarochen, welche während unseren Tauchgängen immer wieder vorbeischwimmen. Dabei gleiten die Rochen mit einer Spannweite von über zwei Meter wie die Könige der Meere an uns vorbei und lassen sich erstaunlich wenig von ein paar Tauchern beeindrucken. Beeindruckt sind vor allem wir.

Dabei können wir uns kaum vorstellen, dass wir bald darauf, ein um Grössenordnungen schöneres Erlebnis, mit diesen Tieren haben werden. Wir sitzen gerade beim Mittagessen im Cockpit als wir keine zwei Schiffslängen von uns entfernt immer wieder Flossen zum Wasser herausschauen sehen. Nach kurzer Diskussion sind wir uns einig, das sind keine Haifische und auch sonst kein Fisch, das müssen Rochen sein. Zehn Minuten später sind wir am Schnorcheln. Und ohne zu übertreiben, kann ich sagen, dass dies das beste Schnorchelerlebnis ist, dass ich je hatte. Was auf der Wasseroberfläche nach zwei bis drei Mantarochen ausgesehen hat, ist ein Schwarm von mindestens 20 Tieren, welche unablässig um uns herumschwimmen. Mal an der Oberfläche, mal aus der Tiefe der Bucht kommen, machen sie Saltos und Spiralen und wir, nur mit Flossen und Schnorchel bewaffnet, sind mitten unter ihnen. Zum Glück haben wir auch unsere Unterwasserkamera mitgenommen, damit auch ihr einen hauch dieses Erlebnisses mitnehmen könnt. Für uns ist es zum Glück nicht das einzige Mal, noch zwei weitere Male in der Bucht von Tahiohae, und danach zweimal bei der Insel Tahuata, können wir mit ihnen Schnorcheln gehen.

Für Lukas steht nach vier Tagen in Nuku Hiva leider schon die Heimreise an. Zuvor haben wir aber noch ein Auto gemietet und wollen damit die Insel erkunden. Wir fahren auf engen Strassen über hohe Pässe, auf denen es, nach der tropischen Hitze am Ankerplatz, merklich kühl ist, erkunden Dörfer mit pechschwarzen Sandstränden und fahren zu unser aller Erstaunen durch ausgedehnte Pinienwälder. Ein ganz spezielles Erlebnis haben wir beim Versuch eine interessante rote Frucht zu kaufen. Beim Vorbeifahren sehen wir einen Tisch, beladen mit Bündeln einer kleinen, roten, stacheligen Frucht. Kurzerhand entschliessen wir, diese auf der Heimreise auszuprobieren. Selbstverständlich sind auf dem Weg zurück alle bereits verkauft. Kein Problem, denke wir, denn nur wenige Meter neben der Strasse steht offensichtlich der Baum, welcher noch immer über und über mit den Früchten beladen ist. Also stapfen wir richtig Hauseingang und werden dort auch prompt von einer freundlichen Frau empfangen. Unser Wunsch wird natürlich sofort und gerne erfüllt. Ihr Sohn, der gerade dazu stösst, klettert direkt in den Baum und zweimal Blinzeln später beissen wir in die fremde Frucht, welche sich als nahe Verwandte der Litschi herausstellt. Jetzt hätten wir einfach die knapp vier Franken für das Bündel bezahlen können und wieder gehen, doch das wäre irgendwie untypisch für die Marquesianer gewesen. Ob wir Passionsfrüchte mögen, werden wir gefragt (per Zufall ist das Leonies Lieblingsfrucht), und wie es mit Avocados aussieht. Ob wir noch Pampelmuse (eigentlich eine Grapefruit, aber irgendwie sind die hier unglaublich süss und überhaupt nicht bitter) hätten? Als der Sack voll ist, wird auf eine Kartonschachtel gewechselt. Es kommen noch Mangos, Limetten und Saueräpfel hinzu und bald darauf schleppen wir eine grosse Kiste mit frischen Früchten zum Auto zurück. Gekostet hat es umgerechnet rund 8 Franken.

Dann muss Lukas endgültig nach Hause fliegen. Wir haben jetzt einen Tag Zeit das Schiff etwas aufzuräumen bis der andere, Lukas und Nathalie am nächsten Morgen bei uns ankommen werden. Was wir mit ihnen, ausser dem Schnorcheln mit den Mantas sonst noch erleben werden, erfahrt ihr im nächsten Blogeintrag.


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