In unserem Kielwasser ragen die steilen Klippen von Bora Bora majestätisch in den Himmel. Vom türkisen Wasser und den Lagunen ist bereits nichts mehr zu sehen. Heute sind wir mit den ersten Sonnenstrahlen losgesegelt, schliesslich wollten wir weg sein, bevor die Mooringboje einkassiert wird. Das stimmt natürlich nicht. Der Hauptgrund ist, dass wir möglichst nicht zu spät an unserem nächsten Ziel ankommen wollen. Die Einfahrt in die Riffe rund um Maupiti ist schmal, sehr schmal. Und berüchtigt, immer wieder hat man uns gewarnt vorsichtig zu sein. Dafür ist eine gute Sicht unabdingbar. Die Bedingungen müssen auch sonst ideal sein. Idealerweise sollte die Welle nicht mehr als 1.5, maximal 2 m hoch sein und nicht mehr als 15knoten Wind sein, solange dieser aus Osten oder Süden kommt. Heute sind die Bedingungen ideal. Es läuft zwar eine rund 1.5 Meter hohe Welle aus Südosten heran, das Grosssegel hängt jedoch nur müde am Mast und schlägt mal nach Steuerbord, mal nach Backbord. Die Genua ist weggerollt, für Fahrt sorgt heute leider der Motor.

Vor der Einfahrt nach Maupiti kommt dann auch das nutzlose Grossegel endgültig rein und wir steuern vorsichtig die Einfahrt an. Obwohl gut gezielt sein muss, um zwischen den brechenden Wellen, welche beidseits unseres Schiffes kaum fünf Meter entfernt auf das Riff knallen, vorbeizukommen, ist das grössere Problem hier die Strömung. Speziell im Süden ist das Riff um Maupiti sehr flach und ohne Inseln. Darum schieben die Wellen, speziell bei hoher See, sehr viel Wasser über das Riff in die dahinter liegende Lagune. Und weil Maupiti nur über einen, und dazu noch sehr schmalen Ausfluss verfügt, kann die Strömung darin die eines reissenden Flusses erreichen. Trifft diese Strömung auf die Wellen entstehen dort, sehr steile, teils brechende Wellen welche die Kraft hätten ein Schiff wie unseres zu kentern. Davon ist heute nicht viel zu merken. Trotzdem ist auch heute eine deutliche Strömung nach aussen bemerkbar und wir schieben unseren Gashebel etwas weiter nach vorne, als wir dies üblicherweise tun, um noch sinnvoll vorwärtszukommen.

Ein paar Minuten ist unser Puls im Höhenflug, dann weichen die Riffe seitlich weg und das Wasser ist topfeben. Vor uns öffnet ein neues Paradies seine Pforten, nicht minder beeindruckend als der Gipfel von Bora Bora beherrscht auch hier, gerahmt von Sandstränden und türkisem Wasser, ein Berg die Szene. Gleich nachdem Ende der Insel auf unserer Backbordseite drehen wir nach links ab und lassen unseren Anker in sieben Meter kristallklares Wasser fallen. Dem Anker, welchen wir bestens am Boden liegen sehen, folgen 35 Meter Kette und wir sind angekommen.

Nach einer langen Dinghyfahrt durch die Lagune binden wir unser Dinghy im kleinen Hafen fest. Neben uns liegen noch ein paar Fischerboote und das Schiff der lokalen Tauchschule. Wir schlüpfen an der Tankstelle vorbei, wo gerade eine frische Ladung Kartoffeln und Zwiebeln in 2 kg Säcke abgepackt werden und befinden uns direkt auf der Strasse, welche einmal um die Insel führt. Es ist noch morgen und es geht eine leichte Brise, welche für ein angenehmes Klima sorgt. Da dies nicht lange so bleiben wird und die Hitze am Mittag sehr schnell unerträglich werden kann, machen wir uns mit zügigen Schritten auf den Weg nach Westen. Aus Hauseingängen wird uns zugewunken. Fröhliche Stimmen grüssen uns von weit her und schon kommen uns zwei junge Frauen mit quietschenden Fahrrädern entgegen. Beide ein grosses Lachen und ein freundliches “Ia Orana” auf den Lippen. Die gute Stimmung scheint auch auf die wenigen Touristen übergegriffen zu haben, welche uns unterwegs begegnen und so sind auch wir bestens gelaunt, als wir den Aufstieg auf den Gipfel der Insel beginnen. Die knapp 300 Höhenmeter sind eigentlich kein Problem. Trotzdem bereuen wir schon bald, nicht noch früher aufgestanden zu sein. Der Ausblick, mit welchem wir belohnt werden, entschädigt jedoch für alle Strapazen. Der Blick über die Klippen, die vorgelagerten Inseln und die Riffe ist atemberaubend. Dabei bleibt unser Blick besonders an den speziellen Riffformationen im Süden der Insel, nahe unseres Ankerplatzes hängen. Dort bilden die Korallen ganz viele Becken. So entschliessen wir uns am nächsten Tag direkt einen Ausflug mit dem Dinghy zu machen, um dies aus der Nähe zu untersuchen. Zuerst aber freuen wir uns auf eine Glace. Von anderen Seglern empfohlen und wohl erst seit ein paar Wochen offen, soll es eine neue Gelateria auf der Insel geben. Die selbst gemachten Waffelcornet mit Bananen… mhmm… Wir sind bis zu unserer Abreise jeden Tag vorbeigegangen.

Der Dinghyausflug am nächsten Tag ist genauso spektakulär wie die Mantarochen welche jeden morgen in die Lagune kommen und sich reinigen zu lassen. Mehrmals fahren wir auch an die Riffkante, um den beeindruckenden Wellen zuzuschauen, welche uns tagein tagaus mit ihrem Dröhnen begleiten.

Am dritten Tag auf Maupiti erreicht uns dann eine Mail von Seglern, welche bereits auf der nächsten Insel sind und wissen, dass auch wir planen, dort einen Stopp zu machen.

Hallo Jonas, hier Thomas mit Iridium. Nur kurz: wir sind in Maupihaa. Falls ihr auch kommt, die Bewohner hier warten auf eine Lieferung aus Maupiti, die…

Thomas, SV Dolce far Niente

Dank der Beschränkung auf 160 Zeichen hat es leider nicht für die ganze Nachricht gereicht. Also fragen wir in der Tankstelle nach, wo wir auch direkt auf offenen Ohren stossen. Sie würde dies gleich an die Familienangehörigen weiterleiten. Dann… Nichts. Erst drei Tage später, wir sind gerade unser letztes Geld für Kartoffeln und Zwiebeln am Ausgeben, meint die Frau, mit welcher wir schon gesprochen haben, wir sollen uns beim nächsten Haus die Strasse runter melden. Dort würde die Tochter von jemandem aus Maupiha’a wohnen. Eine Tochter lässt sich dort leicht finden. Es wird telefoniert und weil wir noch am selben Tag loswollen ist plötzlich alles etwas gehetzt. Trotzdem machen wir ab, dass wir am Nachmittag noch einmal vorbeikommen, um die Lieferung abzuholen.

Nach einer unverhofften Kitesession und einem kurzen Ausflug an Land hieven wir bald eine grosse Kühlbox, eine Kartonkiste und ein Sack voll Pampelmus auf unser Boot. Dann heisst es Segel setzen und uns von Maupiti verabschieden. Bei einer leichten Brise und einer gemütlichen Welle schaukeln wir in Richtung Sonnenuntergang und Maupiha’a.

Falls wir uns über die schwierige Einfahrt nach Maupiti beklagt haben, dann vergesst das wieder. Im Vergleich zu dem, was uns in Maupiha’a erwartet, war das ein Kinderspiel. Der Durchgang durch das Riff ist noch viel schmaler, die Strömung noch einiges stärker. Der einzige Vorteil ist, dass der Eingang an der Nordwestseite liegt und somit in der Wellenabdeckung. Doch auch davon lassen sich zwei, mit allen Wassern gewaschenen, Seebären nicht aufhalten. Die Segel geborgen, der Motor am Schnurren, steuern wir vorsichtig die schmale Öffnung im Riff an. Die Strömung nimmt kontinuierlich zu. Wir schieben den Gashebel weiter nach vorne. Der Volvo in unserem Rumpf dreht auf. Langsam, aber stetig schiebt sich die Jollity vorwärts. Plötzlich ist das Riff da. Keine 20 cm unter der Wasseroberfläche und seitlich so nah, dass es sich anfühlt, als könnten wir einen Schritt hinübernehmen.

Der Anker fällt in 6 Meter klarem Wasser auf Sand. Weil der Grund mit Korallenblöcken gespickt ist mussten wir einige Kreise fahren, um einen geeigneten Platz zu finden. Am nahen Strand steht ein kleines Haus. Nach der Beschreibung der beiden Töchter müssten hier Norma und Harry wohnen. Nach einem Mittagessen laden wir die transportieren Vorräte in unser Dinghy und fahren hinüber an den kleinen Strand vor ihrem Haus. Natürlich werden wir am Strand erwartet, nur etwas scheint den beiden sorgen, zu bereiten. Ganz vorsichtig fragen sie uns, ob wir Französisch sprechen würden und erst als wir dies bejahen scheint die Anspannung von ihnen abzufallen und ein Lachen auf ihre Lippen zu schleichen. Norma hat zwar in den Jahren, in denen sie immer wieder Segler als Gäste empfangen hat, ein paar wenige Worte Englisch aufgeschnappt, trotzdem ist es kaum genug, um mehr als Hallo und Tschüss zu sagen.

Die beiden, ursprünglich aus Maupiti stammenden, leben seit über 10 Jahren auf Maupiha’a wo sie nach einem anfänglichen Versuch Perlen zu züchten mittlerweile in der Kokos ernte arbeiten. Auf jedem dieser Atolle in Französisch Polynesien hat es ausschweifende Kokosnussplantagen. Die Kokosnüsse werden geerntet und das Fleisch getrocknet. Dieses getrocknete, oft etwas schlecht riechende und auch alles andere als saubere Kokosnussfleisch nennt man Copra und es wird in Tahiti zu Öl gepresst. Leider ist der Preis, welcher für ein Kilogramm Copra bezahlt wird, in den letzten Jahren stark gefallen und so rentiert es heute kaum noch im teuren Französisch Polynesien Kokosfarmen zu betreiben. Von den einst über 40 Einwohner in Maupiha’a sind heute nur noch 7 übrig. Wenn wir dachten, wir wären auf unserer Reise an einsamen Plätzen gewesen, so müssen wir unsere Vorstellung von Abgeschiedenheit noch einmal revidieren. Hier, über 250 km von der nächsten bewohnten Insel entfernt leben Menschen, welche darauf angewiesen sind, dass sie von Seglern mit Lebensmittel versorgt werden, weil seit Jahren kein Versorgungsschiff, kein Flugzeug und nicht mal ein kleines Motorboot hier vorbeigekommen ist.

Natürlich werden wir von Norma und Harry gleich zum Abendessen eingeladen. Heute auf dem Speiseplan steht Kokoskrabbe. Etwas, dass wir noch nie probiert hatten und tatsächlich auch noch nie gesehen haben. Diese, an Land lebenden, sich von Kokosnüssen ernährenden, Krabben sind fast 50 cm lang und können einem mit ihren Scheren problemlos einen Finger abschneiden. So bleibt auch Norma ganz vorsichtig, als sie eine aus einem Fass hervorholt, um ihn uns zu zeigen. Sie füttern die Krabben, nachdem sie sie eingefangen haben, noch rund zwei Wochen, damit sie schön fett werden und viel Fleisch dran ist. Wie sich am Abend herausstellt, ist die Krabbe zwar super lecker, jedoch zu gross für uns zwei. Weil Harry und Norma seit über 3 Monaten keine Lieferung mehr erhalten haben, geniessen die beiden das Poulet, welches wir ihnen mitgebracht haben und lassen die ganze Krabbe für uns. Auch am nächsten Tag bestehen die beiden darauf, dass wir bei Ihnen essen. Beim Mittagessen mit gegrilltem Fisch erfahren wir, dass sie morgens um vier zum Fischen rausgefahren sind. Damit wir sicher nicht verhungern, dürfen wir gleich noch einen Fisch mitnehmen. Auch 5 leckere Papayas drücken sie uns in die Hand, scheint es doch neben den Kokosnüssen die einzige Frucht zu sein, die auf dem trockenen Atoll wächst.

Weil der Wind gedreht und zugenommen hat, entscheiden wir uns umzuparkieren und versprechen Harry und Norma aber, dass wir, sobald es bei ihnen wieder gemütlich ist zum Ankern wir noch einmal zurückkommen, um Hummer zu essen. Dank des starken Windes reicht es für uns am südlichen Ende dann tatsächlich noch für eine Kitesession und bevor wir am nächsten Tag wieder, zu den beiden zurückfahren, machen wir noch einen wunderbaren Schnorchelausflug zu einem der schönsten Riffe, welches wir in Französisch Polynesien gefunden haben.

Die Hummer, von Harry auf dem Grill zubereitet, sind die besten, die wir auf unserer Reise je hatten. Und bei einem Spaziergang ans Nordende der Insel entschliessen wir uns kurzerhand, anstatt am Nachmittag loszusegeln, einfach noch eine Woche zu bleiben, ist doch Maupiha’a eines der Highlights auf unserer Reise.

Belohnt wird unsere Entscheidung mit Kitesessions, wunderbaren Spaziergängen entlang des Strandes, dem Besuch einer riesigen Vogelkolonie, wo Seeschwalben ihre Küken grossziehen und mehreren magischen Begegnungen mit einem Buckelwal, welcher in der Lagune seine Runden dreht. Bei der ersten Begegnung erschrecken wir uns sehr, weil der Wahl nur wenige Meter vor unserem Bug plötzlich auftaucht. Danach sehen wir ihn immer mal wieder in der Nähe unseres Bootes. In der Nacht kommt er jedoch noch einmal so nahe an unser Schiff, dass wir ihn fast berühren können.


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