Der Anker ist schwer heute Morgen. So schwer wie er schon lange nicht mehr war. Nicht, dass er voll mit Sand oder Schlamm wäre. Auch nicht, dass wir wirklich merken würden wie schwer er ist. Schliesslich zieht unsere elektrische Ankerwinde den Anker für uns hoch. Wir lassen mal wieder die „Sonne“ für uns arbeiten. Ein Hoch auf die Sonne! Nein, es sind wohl eher unsere Herzen, die schwer sind. Zum letzten Mal lichten wir Anker in den Bahamas. Was für eine tolle Zeit wir doch hatten. Schnorcheln, Kitesurfen, SUPen, Wandern und einfach das kristallklare Wasser und die tollen Strände geniessen. Doch jetzt schauen wir vorwärts. Wir freuen uns auf gute Einkaufsmöglichkeiten, Kultur und kühlere Temperaturen. Die Windprognosen sehen super aus. Die nächsten vier Tage sollte guter Südwind blasen. Das einzige Problem scheint zu sein, dass die Stabilität nicht wirklich gut ist und wir mit Gewitter rechnen müssen. Bei gutem Wind setzten wir also Segel und fahren erst mal hauptsächlich Richtung Westen um möglichst bald in den gelobten Golfstrom zu kommen, der hier vor der Küste Floridas mit mehr als 3kn nach Norden strömt. Während wir also fröhlich dahin segeln wird der Himmel hinter uns immer grauer. Bald hangen bedrohlich dunkle Wolkenschwaden vom Himmel. Zwischen den Wolken und dem Meer kommt uns in bedrohlicher Geschwindigkeit eine Regenwand entgegen welche den Horizont und alles die letzten Inseln der Bahamas verschluckt. Eben wollten wir noch kurz was erledigen, als plötzlich der Wind markant zunimmt und uns die ersten Regentropfen erreichen. Keine 10 Sekunden später fliegt uns das Wasser um die Ohren. Sofort reffen wir das Vorsegel. Dann retten wir uns ins Trockene. Nach einer viertel Stunde sind der Regen und leider auch der Wind vorbei. Im Gegensatz zum Regen ist der Wind leider für den Rest des Tags weg. Einzig die ab und zu durchziehenden Gewitter bringen manchmal für einige Minuten eine Windböe. Ansonsten bleibt die Windanzeige der ganze Tag unter 5 Knoten und wir müssen mit unserem japanischen, Diesel-hungrigen Wind der unter unserem Niedergang verbaut ist, vorliebnehmen. Erst gegen Abend zieht der Wind dann langsam wieder ein wenig an und wir können wieder segeln. Und kaum fährt die Jollity wieder, rauscht plötzlich die Angelleine raus. Nicht mal die voll angezogene Bremse kann den Fisch davon abhalten die Leine raus zu ziehen, dass muss ein anständiger Brocken sein. Also verkleinern wir die Segelfläche noch einmal, um die Fahrt zu verringern und mit dem Fisch zu kämpfen. Mal lässt der Zug leicht nach und wir können die Leine einige Meter reinziehen, dann plötzlich zieht der Fisch wieder mit aller Kraft und wir müssen ihn weitergehen lassen. Bald sind mehrere hundert Meter Leine im Wasser und so langsam kriegen wir Angst, dass uns die Schnur ausgehen könnte. Gefährlich wenig ist noch auf der Trommel. Doch gleichzeitig wird auch der Fisch immer müder und die Zeit in welcher er kämpft immer kürzer, während die Pausen immer länger werden. Langsam wird die Leine auf der Trommel wieder dicker und der Fisch kommt langsam näher. Nach rund 45 Minuten kämpft der Fisch gefühlt gar nicht mehr und, obwohl der schwere Körper im Wasser immer noch gut bremst, können wir ihn langsam zum Schiff ziehen. Wieso der Fisch, auch jetzt wo wir ihn zum Schiff ziehen nicht mehr kämpft, wie das üblicherweise der Fall ist, werden wir bald erfahren. Doch zuerst muss der Brocken an Bord geholt werden. Ganz offensichtlich hat ein stattlicher Thunfisch angebissen. Mit dem grossen Haken ziehen wir den rund 8kg schweren Fisch an Bord. Erst jetzt wo wir ihn töten wollen sehen wir, dass der Fisch bereits tot ist. An der Schwanzflosse sind üble Bissspuren sichtbar. Es sieht ganz so aus, als hätte ein Haifisch versucht sich einen grossen Happen zu schnappen, welcher ihm aber dann doch entkommen ist. Später muss der Fisch dann wohl seiner Verletzung erlegen und verblutet sein. Das scheint sich auch zu bestätigen, als wir versuchen ihn ausbluten zu lassen und wir feststellen müssen, dass gar kein Blut mehr da ist. Grosszügig ausgenommen packen wir wenig später rund 4kg Thunfisch Filet in unser Gefrierfach! Mhmmm…

Dann wird es auch schnell dunkel und die erst Nacht bricht über uns herein. Der Wind, aus Ostsüdost, bläst mittlerweile sehr zuverlässig und wir haben es bis in den Golfstrom geschafft. So rauschen wir mit 10 Knoten in Richtung Norden und unserem Ziel entgegen. Fred unser Windpilot steuert wie immer zuverlässig und hält die Jollity unermüdlich auf Kurs. Als der Wind in der zweiten Nachthälfte immer mehr achterlich dreht, müssen wir ab und zu am Windpilot den Windwinkel einstellen gehen und die Segel der neuen Windrichtung anpassen, um auf Kurs zu bleiben. Um halb drei morgens geht dann der Mond auf und taucht das Meer und das Schiff in sein kaltes Licht. Doch immer wieder verschwindet er hinter Wolkenbändern und alles was bleibt ist die schwarze Dunkelheit einer Mondlosen Nacht, welche einzig von unserem Licht an der Mastspitze durchbrochen wird. Es sind diese Wolken die uns dann später diesen Morgen auch kurze Regenschauern und Windböen bringen. Alles in allem beginnt der Tag sehr verhangen und Nass. Dazu kommt noch, dass wir leider in der Nacht ein wenig zu weit nach Steuerbord abgekommen sind und dadurch den Hauptstrom des Golfstroms verlassen haben, dies kostet uns jetzt fast zwei Knoten fahrt. Es ist also höchste Zeit zu halsen und wieder zurück in den Golfstrom zu steuern. Bis wir wieder voll in der Strömung sind, wird es jedoch fast Abend des selbigen. Die Stimmung an Bord ist jedoch trotzdem relativ gut. Wir kommen anständig vorwärts und die Wellen sind nur gut zwei Meter hoch. Von Komfortabel zu sprechen wäre leicht übertrieben, aber es ist bestimmt unsere bisher ruhigste mehrtägige Überfahrt seit wir in Holland gestartet sind. Und so wird uns auch die zweite Nacht, dank der unspektakulären Verhältnissen, kaum in unseren Erinnerungen hängen bleiben. Wir sehen zwar fast die ganze Nacht um uns herum irgendwo Blitze oder Wetterleuchten, uns trifft es jedoch nie. Meistens können wir gar einen klaren Sternenhimmel über uns geniessen. Gegen morgen nehmen die Blitze ab, jedoch zieht sich der vorher relativ offene Himmel langsam zu und eine geschlossene Wolkendecke verdirbt uns den Sonnenaufgang.

So bricht der dritte Tag auf See an. Grau wie er beginnt, wird er auch enden. Und dazwischen ändert sich leider auch nicht viel am Wetter. Zwischendurch erwischt uns mal einen kleinen Regenschauer. Dieser dritte Tag auf See war für uns bis jetzt für gewöhnlich der unangenehmste auf solchen Passagen. Nach zwei Nächten in welchen der wenige Schlaf, den wir kriegen, auch noch nicht erholsam ist, wird alles sehr anstrengend. Die Seekrankheit ist noch nicht komplett aus dem Weg, man ist Müde, der Rhythmus komplett aus dem Ruder und so langsam wird das alles auch langweilig. Auch dieser dritte Tag ist da nicht viel besser. Das Wetter hilft da jetzt auch nicht unbedingt und gegen Abend verlassen wir langsam den Golfstrom, weil dieser einen grossen Umweg weg von unserem Ziel macht. Vor allem die Aussicht morgen schon anzukommen, macht das alles aber viel einfacher aushaltbar. Die berechtigte Frage bleibt aber wohl, was wir denn den ganzen Tag auf See machen. Am Steuer stehen wir ja kaum je, dafür haben wir ja Fred. Sehr viel Zeit verbringen wir tatsächlich mit dem Versuch zu schlafen. Dinge wie Kochen und Abwaschen brauchen auch immer viel Zeit, wenn jederzeit alles quer durchs Schiff fliegen kann. Und wenn wir dann unsere Wache halten, darf es auch sehr gerne mal ein gutes Buch sein oder wir schauen für lange Zeit hinaus auf die Wellen oder in den Sternenhimmel.

Nach einer ereignislosen Nacht ist es am nächsten Morgen dann so weit: Das schlimmste, was einem Segler passieren kann, trifft ein. Windstille. Der sonst schon Flache Ozean glättet sich noch mehr bis nur noch langsame flache Wellen mit spiegelglatter Oberfläche um uns zu sehen sind. Und so schwindet auch die Hoffnung, dass wir kurz nach Mittag ankommen könnten. Eine Weile versuchen wir es noch, bevor wir aufgeben und den Motor starten. Und so brummen wir einige Stunden vor uns hin als plötzlich der Alarm des Motorenterminals losgeht. Ein kurzer Blick auf die Anzeige schafft Klarheit. Das Kühlwasser sei zu heiss. Und nach kurzem ist auch der Grund dafür gefunden. Der Keilriemen ist gerissen. Ganz kurz starten wir den Motor noch einmal um das Gross hochziehen zu können. Es hat gerade so genug Wind um uns auf einem stabilen Kurs zu halten damit wir uns dem Motor annehmen können. Zum Glück führen wir einen Ersatz Keilriemen mit uns mit und so ist die Reparatur sehr einfach zu bewerkstelligen. Nach einer Stunde ist der neue Keilriemen montiert und alle wichtigen Dinge am Motor sind kontrolliert. Der Motor läuft wieder einwandfrei und bringt uns am späten Nachmittag endlich zur Einfahrt nach Morehead City. Leider beschäftigt uns da schon wieder das nächste Problem. Der Tiefensensor streikt. Der Ankerplatz ist eine relativ untiefe Fläche welche bei Ebbe zwischen 2 und 3 Meter tief ist. Gerade hier wäre es sehr wichtig, dass wir wüssten wie Tief es wirklich ist um uns einen geeigneten Platz aussuchen zu können. Zur Not ankern wir vorerst halt mal am Rand des Ankerfeldes, viel zu nah an zwei anderen Schiffen. Während die einen uns sehr Freundlich zu winken sind die anderen überhaupt nicht begeistert und versuchen uns mehrere Male wegzuschicken, bis wir ihnen endlich klarmachen können was unser Problem sei und dass wir nur vorübergehend da ankern würden. Das heisst aber auch, dass der Sensor sofort repariert werden muss. Und so öffnen wir alle möglichen Zugänge, um das Kabel zu kontrollieren. Tatsächlich ist an einer Stelle, an welcher das Kabel durch ein Loch geführt ist, die Isolation komplett durchgescheuert und zwei Drähte können einen Kurzschluss machen. Nach einer kurzen Reparatur scheint der Sensor vorerst wieder zu funktionieren. Beim um parkieren fällt er jedoch schon wieder aus. Dieses Mal zeigt er aber anstelle von nichts einfach plötzlich die doppelte Wassertiefe an. Irgendwie unerklärlich und ein Problem, das heute Abend nicht mehr gelöst werden muss, denn wir haben einen guten Platz gefunden und können uns endlich ins Bett fallen lassen…

Categories: TravelUpdates

0 Comments

Leave a Reply

Avatar placeholder

Your email address will not be published. Required fields are marked *