Mit einem Rucksack voller guter Tipps und einem dicken Buch gefüllt mit allen notwendigen Informationen machen wir uns auf den Weg, Maine zu erforschen. Der erste Tag führt uns durch eine Nebelverhangene Casco Bay bis nach Seguin Island. Seguin Island, bekannt für seinen Leuchtturm, steht als einsamer Felsen weit vor der zerklüfteten Küste von Maine. Schon von weitem sieht man den Turm hoch oben über die Klippen der Insel hinausragen und kann sich gut vorstellen, wie der Leuchtturm den Seefahrern bei Nacht den Weg weist. Bei Nacht zu fahren scheint uns trotzdem keine gute Idee zu sein. Schon am Tag ist es eine Herausforderung all den Bojen der Hummer Fallen auszuweichen. Bei Nacht ist dies wohl unmöglich. Die einzige geschützte Bucht von Seguin Island taucht vor uns auf, nachdem wir am nördlichen Ende hoher Klippen herumgefahren sind. Die Bucht liegt im Schatten eines steilen, von Felsen durchzogenen und mit Wald bewachsenen Hangs, welcher die letzten Sonnenstrahlen des Tages blockiert. Im Osten ist das Gelände viel Flacher, und, weil weniger vom Wind geschützt, nur von Büschen und hohem Gras bewachsen. Am Ende der Bucht, kurz oberhalb eines steinigen Strandes, stehen zwei kleine Häuser. Von dort geht eine steile, auf ein Holzgerüst gebaute, Standseilbahn bis hoch zum Leuchtturm.

Ankern ist nicht erlaubt, weil ein Kabel welches bis vor wenigen Jahren die Insel und vor allem den Leuchtturm mit Strom versorgt hat durch die ganze Bucht verläuft. Heute wird das Kabel nicht mehr benötigt. Der ganze Strom wird mit Solar auf der Insel direkt produziert und in Batterien gespeichert. Die Lampe des Leuchtturms wurde durch eine sparsame LED Lampe ersetzt. Leider ist dadurch die Reichweite des Leuchtturms beeinträchtigt worden. Statt der früher stattlichen 20, reicht die Leuchtkraft heute nur noch für 14 Seemeilen. Ankern kann man wegen des Kabels trotzdem noch nicht. Es stehen jedoch fünf Moorings zur Verfügung, welche kostenlos benutzt werden dürfen. Bei stärkerem Wind würden wir denen zwar vermutlich nicht trauen, bei den herrschenden Bedingungen sollte dies jedoch kein Problem sein. Das viel grössere Problem ist, dass sie viel zu nahe an der felsigen Küste platziert wurden. Zeitweise haben wir noch 5 Meter Platz hinter unserem Schiff bis zur felsigen Küste. Vor allem ein Stein, der knapp bis unter die Wasseroberfläche reicht, macht uns besonders Angst, da wir diesen direkt mit unserem Ruder erwischen würden. Was da passieren könnte, wollen wir uns gar nicht ausmalen. Weiter zu fahren ist jedoch auch keine Option. Die Sonne schickt gerade ihre letzten Strahlen über die Wasseroberfläche und im Dunkeln wollen wir, wie bereits erwähnt, nirgendwo mehr hinfahren. Ein extrem giftig eingestellter Ankeralarm weckt uns in der Nacht mehrere Male aus einem unruhigen Schlaf. Gefährlich wird es aber erst früh am nächsten Morgen bei Ebbe wieder. Dreimal schalten wir den Motor ein, um das Schiff mit einem kurzen Schub aus der Gefahrenzone zu schieben.

Kurz nach dem Frühstück, machen wir uns soeben bereit an Land zu gehen, fährt ein weiteres Schiff ein. Vor uns sind noch zwei Moorings frei, welche jedoch noch näher an der Küste platziert sind. Nachdem sie eine Runde durch die Bucht gedreht haben kommen sie auf uns zu und nach einem kurzen Hallo macht die “Adiona” an uns fest. Jetzt sind wir also zu zweit an der Mooring. Zum Glück ist es heute fast komplett windstill. Als Gegenleistung gibt es dafür Kaffee und Tee aus der Kapitänstasse! Da sagen wir natürlich nicht nein. Und dann endlich der Besuch auf der Insel! Kaum haben wir das Dinghy den langen Strand hochgezogen, empfängt uns ein freudestrahlender Leuchtturmwart. Sofort beginnt er, uns die verschiedenen Wege auf der Insel zu beschreiben und erzählt, was sich besonders lohnen könnte und welche Ecken wir meiden sollen, weil wir von Möven attackiert würden. Als Erstes sollen wir jedoch den Leuchtturm und das Museum anschauen gehen. In einer Stunde erwarten sie eine angemeldete Gruppe und bis dahin sei aber noch perfekt Zeit, dass seine Frau uns alles zeigen könne. Also machen wir uns sofort auf den Weg hoch zum Leuchtturm. Die Standseilbahn fährt leider nicht mehr. Die ist schon fast 100 Jahre alt und bräuchte dringend eine Überholung. Schade. Aber der Weg hoch zum Turm ist auch so super schön. Oben angelangt kommt uns bereits ein Hund und danach auch die Leuchtturmwärterin entgegen um uns noch einmal herzlich willkommen zu heissen. Und dann werden wir in den Turm geführt, um die Aussicht zu geniessen und die riesige Fresnel Linse, die einzige in New England die noch im Betrieb ist, anzuschauen.

Nach einem kurzen Besuch im Museum über die Geschichte des Leuchtturms und der Insel im allgemeinen, machen wir uns noch daran die verschiedenen Wege der Insel zu erkunden. Kurz nach dem Mittag sind wir zurück auf dem Schiff. Es hat ein wenig Wind. Die Gelegenheit um möglichst weit zu segeln, denn die Vorhersage für die nächsten Tage sieht mager aus. Es stellt sich heraus, dass „möglichst weit“ nicht mehr besonders weit ist. Denn nach rund zwei Stunden schläft der Wind immer mehr ein und bald darauf treiben wir nur noch mit der Strömung und können uns im spiegelglatten Wasser selber Grimassen schneiden. Naja, so war das nicht gedacht. Also schalten wir den Motor an und fahren zum nächst besten Hafen. Der Weg führt uns durch die “Thread of life” Passage, die weniger gefährlich ist als sie klingt, nach Pemaquid Harbor. Pemaquid Harbor fällt vor allem durch ein altes Fort auf welches die ganze Umgebung überblickt. Dahinter ist eine grosse Ausgrabungsstätte einer alten Siedlung welche von einigen hundert Jahren dort gestanden hat.

Die Reise führt uns, mal bei mehr, mal bei weniger Wind, immer weiter in den Osten. “Down East” wie die einheimischen es nennen. Mal halten wir in einer grossen aber gut geschützten Bucht, das nächste mal fällt unser Anker zwischen 8 winzigen Inseln, die als Schutz vor den Wellen genauso gut sind. Wellen hat es sowieso kaum. Auch wenn wir eigentlich ohne jeglichen Schutz der vollen Breitseite des Atlantiks ausgeliefert sein sollten, ist das Meer meistens fast komplett flach. Hier sind die Bedingungen perfekt um mal mit den SUP eine Runde zu drehen. Die Insel, neben der wir geankert haben, ist zwar in privatem Besitz, ein wunderschöner Weg führt Besucher jedoch in einer Runde einmal um die Insel. Der Weg schlängelt sich entlang der felsigen Küste, durch hohe Wildblumenwiesen, unter Apfelbäumen hindurch und vorbei an alten Steinbrüchen. Wie auf vielen der Inseln hier in der Penobscot Bucht, wurde auch auf dieser früher Granit abgebaut, welcher bis runter nach Washington zum Bau beeindruckender Bauten wie das Repräsentäntenhaus oder die Brooklin Bridge und das Metropolitan Museum in New York verwendet wurde. Hunderte von Kathedralen wurden damit errichtet, Strassen gepflastert oder Grabsteine daraus geschnitten. Nachdem die Granitindustrie Ende des neunzehten Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht hat, ist sie kaum fünfzig Jahre später fast komplett verschwunden. Verdrängt von neueren, günstigeren und vor allem einfach zu transportierenden Baumaterialien wurden fast alle Steinbrüche aufgegeben und heute erinnern nur noch bewaldete Seen und Tümpel an die grosse Zeit als teilweise bis zu 500 Männer auf diesen kleinen Inseln gearbeitet und gelebt haben. Erst in letzter Zeit haben neue Verfahren, und das Interesse am Einsatz von Granit aus kosmetischen Gründen, den Abbau wieder interessanter werden lassen. Und so wird heute auf Crotch Island, nur wenige Kilometer von unsrem Standort entfernt, wieder Granit abgebaut.

Am nächsten Tag schon führt uns unsere Reise weiter in den Osten nach North Haven und Vinalhaven. Wir bräuchten dringend Diesel und Benzin. Auch Waschen wäre mal wieder auf dem Programm. Also Entscheiden wir uns ins beschauliche Dorf North Haven auf der gleichnamigen Insel zu segeln. Dieses liegt in einem engen Kanal, welcher die beiden Inseln trennt. Dort angekommen müssen wir leider feststellen, dass keine Waschmaschine aufzuspüren ist, und während wir zwar Benzin kriegen würden, scheint der Tankstutzen mit dem Diesel leer zu sein. Rund einen halben Liter schaffen wir aus der Tanksäule zu pressen. Das reicht nicht gerade weit. North Haven scheint uns also nicht mehr allzu verlockend und der Ankerplatz in dem Kanal mit starker Strömung ist bestimmt auch nicht das beste, was wir finden können. Gleich um die Ecke aber liegt Seal Bay. Einer der absoluten Lieblingsplätze von Gail und Randy. Der Wind bläst noch immer ganz gut und so setzten wir gleich wieder die Segel und segeln bei schönen Bedingungen ums nächste Kap und hinein in die verwinkelte Seal Bay. Beim rein segeln bläst uns eine steife Brise ins Gesicht und wir können bei perfekten Bedingungen in der engen Einfahrt hoch kreuzen. Das ist Segelspass pur! Dann muss noch kurz die Drohne gestartet werden, solche Aufnahmen kann man ja nun wirklich nicht jeden Tag machen. Und weil der Platz zum Segelbergen auch sehr begrenzt ist, wird plötzlich alles doch ein wenig hektisch. Ob es sich gelohnt hat, dürft ihr selber entscheiden.

In Seal Bay werden wir die nächsten vier Tage verbringen. Unsere Hauptbeschäftigung ist erkunden. Mit dem Dinghy lässt es sich vor allem bei Flut wunderbar durch die verwinkelte Bucht fahren. Zwischen Inseln hindurch, in Seitenarme hinein und dann bevor die Ebbe kommt auch irgendwie wieder hinaus.

Auch zu Fuss gibt es viel zu erkunden. Auf vielen der Inseln hat es Fusswege, auch wenn diese manchmal schwer zu finden sind. Einmal unternehmen wir einen Abenteuerspaziergang auf eine nahegelegene Klippe. Durchs Gestrüpp und über Felsen kraxeln und klettern wir, nur in Flip-Flops, bis zum Gipfel hoch, um oben angekommen zu merken, dass ein Weg hochgeführt hätte. Auf dem Rückweg folgen wir dem Weg, um wiederum festzustellen, dass wir uns jetzt doch bis zum Dinghy durchkämpfen müssen. Entlang der Küste geht es erstmal ganz gut vorwärts bis irgendwann die Felswände immer näher ans Wasser kommen und der Pfad immer schmaler wird. Irgendwann ragt vor uns ein hoher Felse auf welcher senkrecht ins Wasser reicht. Da ist kein Durchkommen. Es bleibt uns nichts andres übrig, als durch eine enge Spalte hochzuklettern. Von da aus ist der Weg wieder viel komplizierter. Überall liegen umgestürzte Bäume, überall hat es Felsen und unpassierbare Klippen. Eigentlich wollen wir ja möglichst weit unten am Wasser bleiben, der einzig begehbare Weg scheint uns jedoch immer höher und höher zu führen. Fast wieder bis hoch auf den Gipfel müssen wir, bis wir endlich denselben Weg, den wir am Anfang hochgeklettert sind, wieder hinunterkommen. Endlich haben wir mal wieder ein Abenteuer erlebt, mussten uns einen Weg durch die Wildnis bahnen wie die ersten Siedler vor 500 Jahren. Danach geht es mit unserem Dinghy zurück zum Schiff, wo wir unser Tablet hervornehmen, um auf den präzisen Karten unser nächstes Ziel zu suchen, zu welchem wir per GPS zuverlässig hingeführt werden. Es ist heute halt doch nicht mehr wie vor 500 Jahren. Und oft sind wir ja wirklich dankbar dafür.

Categories: Travel

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