Eigentlich zieht es uns überhaupt nicht nach Florida. Einzige auf die sommerlichen Temperaturen freuen wir uns. Und dann so schnell wie möglich rüber in die Bahamas. Ein Ort in Florida ist für uns jedoch schon länger auf der Liste der Dinge, die wir sehen wollen. Das Kennedy Space Center am Cape Canaveral. Der grösste Weltraumflughafen der Welt. Der Ort an dem fast alle Space Shuttle Missionen gestartet sind und auch heute bei weitem die meisten Raketen gestartet werden. Mit etwas Glück sehen wir sogar ein Raketenstart, denn im Moment wird rund alle zehn Tage eine zu den Sternen geschossen.

Etwas hart hat es schon, die wunderbare Cumberland Island wieder zu verlassen. Irgendwie sind wir ja doch eher für die Natur gemacht und die Insel ist wirklich einer der schönsten Orte zwischen Florida und Cape Cod. Und doch segelt die Jollity bald bei wenig Wind der Wärme entgegen. Und weil der Wind knapp ist, kommt endlich unser Code Zero, ein super grosses Vorsegel, zum Einsatz. Bis jetzt haben wir selten damit gesegelt, da es für Windwinkel zwischen 50 und 120 Grad am Wind gut funktioniert und wir oft entweder hart am Wind oder mehr vor dem Wind segeln mussten. Beides Kurse, bei denen entweder die flach geschnittene Genua oder der bauchige und leichte Gennacker besser funktionieren. Nach dieser Etappe ist aber klar, wir werden den Code Zero in Zukunft öfter segeln. Das Segel hat super einfach funktioniert und uns bei gerade mal gut fünf Knoten Wind mit ebenfalls fast fünf Knoten in den Süden gebracht.

Das Ziel ist jetzt also Cape Canaveral. Beziehungsweise wäre es das Ziel. Denn irgendetwas stört uns an dem Plan. Irgendwie sind wir unzufrieden. Unruhig. Unterwegs, etwas in der Mitte zwischen Cumberland Island und Cape Canaveral liegt St. Augustine. Das Städtchen wurde uns oft als sehenswert empfohlen, aber eigentlich sind wir ja wirklich nicht die Stadtmenschen. Trotzdem überlegen wir immer wieder dort zu stoppen. Schauen uns Bilder im Internet an. Verwerfen die Idee wieder. Die Einfahrt sei schwierig. Wir würden es sowieso nicht mehr bei Tageslicht schaffen, müssten also bei Nacht einlaufen. Und die letzten Stadtbesuche haben uns wirklich nicht allzu glücklich gemacht. Trotzdem sind wir arg unzufrieden mit der Idee nicht hinzufahren. Am späten Nachmittag entscheidet Leonie sich dann plötzlich doch St. Augustine anzulaufen. Von dem Moment an geht es uns wieder gut. Und als wir 2 Stunden später bei Nacht einlaufen werden wir für unseren Abstecher belohnt. Die ganze Stadt ist in amerikanischen Manieren wie ein Weihnachtsbaum beleuchtet. Schon von Weitem sieht man die historischen Häuser in tausenden von Lichtern erstrahlen.

Und weil noch nicht zu spät ist, machen wir sogleich noch auf dem Weg in die Stadt. Das Dinghy parkieren wir in der nahegelegenen Marina und kommen keine zehn Meter über den Steg bevor unser Erkundungsgang abrupt unterbrochen wird. Dort, genau beim Dinghydock stehen alte Bekannte aus Annapolis mit ihrem Katamaran. Zwei Minuten später sitzen wir bei ihnen im Cockpit und werden mit Getränken versorgt. Zwei Stunden später wissen wir alles über St. Augustine und machen uns endlich auf den Weg in die Stadt. Und es gefällt uns. Sehr viel Kitsch. Sehr viel liebevoll gestaltete Beleuchtung und wunderschön gepflegten Häusern, mit einem Charme der direkt aus dem spanischen Mittelalter zu kommen scheint. Im kleinen Park sind alle Bäume mit Lichter behangen, dass es sich anfühlt als würden wir unter einem viel zu dicht bepackten Sternenhimmel entlanggehen, als wären wir viel näher zu den Sternen geflogen.

Und irgendwie scheint es der Treffpunkt alter Bekanntschaften zu sein. Am nächsten Tag treffen wir doch tatsächlich, gerade als wir das Dinghy festmachen auf Steven und Sylvia welche wir aus Deltaville kennen. Die beiden waren unsere Landnachbarn und wir hatten eine wirklich gute Zeit mit ihnen. Wir sind zwar fast gleichzeitig in Deltaville gestartet, aber trotzdem sind wir erstaunt sie hier wieder anzutreffen. Wir bleiben also noch bis nach dem Abendessen und gehen gemeinsam Pizza essen. Pizza ist immer gut. Und wir können uns kaum einmal selber Pizza machen, weil das unglaubliche Mengen Energie verschlingt. Vor allem jetzt im Winter mit super kurzen Tagen ist das keine Option. Um 21 Uhr laufen wir, wieder bei Nacht, aus.

Und dann endlich, eine weitere Nachtdursegelung später sind wir in Cape Canaveral. Durch die Schleuse und gleich dahinter ankern. Etwas untief, aber ansonsten ein ausgezeichneter Ankerplatz. Am nächsten Morgen sollte eine Rakete starten. Am Abend, kurz vor dem Schlafen gehen überprüfen wir zum Glück noch einmal die Startzeit, nur um festzustellen, dass der Start verschoben worden ist. Also schalten wir den 4 Uhr Wecker wieder aus. Auch gut. Trotzdem stehen wir beizeiten auf, fahren mit dem Dinghy an den nahen Strand und bestellen uns, auf einer ungeteerten Strasse wartend, ein Uber. Das Ziel ist natürlich das Kennedy Space Center.

Erwartet haben wir ein Museum. Aber das würde ja den USA, und vor allem dem happigen Eintrittspreis, nicht gerecht. Das Space Center ist viel mehr ein Erlebnispark mit vielen eindrücklichen Ausstellungsstücken und noch viel mehr Show. Auf grossen Bildschirmen und noch grösseren Beschallungsanlagen werden episch vertonte Filme über die unglaublichen Errungenschaften der Vereinigten Staaten gezeigt. Danach fährt die Leinwand hoch und wir stehen vor dem Space Shuttle Atlantis, welches 33 Mal im Weltall war oder einer echten Saturn V Rakete, wie sie benutzt wurde, um Menschen im Apollo-Programm zum Mond zu schiessen. Triebwerke so gross, dass wir darin hätten leben können, starren uns entgegen, und die Vorstellung, was für eine ungeheure Kraft da beim Start der Rakete wirken muss, verschlägt einem den Atem. In den riesigen Hallen werden auch viele weniger auffällige, jedoch genauso beeindruckende Gegenstände ausgestellt. Von einem Stück Mond, zum Anzug welcher getragen wurde als eben dieses Stück aufgehoben wurde bis zu Prototypen von Sonden, welche heute auf dem Mars nach leben forschen, gibt vieles zu bestaunen. Müde von den vielen Eindrücken überprüfen wir am Abend noch kurz, ob die Rakete jetzt startet. Und tatsächlich sieht es so aus, als müssten wir morgens um vier Uhr aufstehen. Der Grund für die Verschiebung haben wir natürlich bei unserem Besuch im Space Center heute auch erfahren: Eine Treibstoffleitung für flüssigen Wasserstoff hatte anscheinen geleckt.

Morgens um vier werden wir plötzlich aus dem Schlaf gerissen. Es ist jedoch nur der Wecker, der klingelt. Es ist Zeit für die grosse Show. Oder wenigstens bald. Das Fenster für den Raketenstart ist zwischen 4 und 6 Uhr angesetzt und so schalten wir einen Livestream ein und schauen uns den Countdown an. Es soll wohl erst um fünf so weit sein. Also warten wir halt ab. Der Wecker wird noch einmal scharf gestellt, das Kissen wieder unter den Kopf geschoben. Kurz vor fünf sind wir wieder wach. Der Countdown zeigt zehn Minuten. Bis jetzt scheint alles ok zu sein. Auf dem Livestream hören wir den letzten Check, alle geben das Go. Dann, ein Licht, immer stärker werdend, fast schon blendend in der vorher dunklen Nacht. Langsam erhebt sich das Licht und wird bald immer schneller. Und dann holt uns der Schall ein. Wroooooom! Ohrenbetäubend dröhnt durch die Stille Nacht. Jeder Harley Besitzer wäre vor Neid erblasst. Nach gut einer Minute werden die vier Boosterraketen abgeworfen, welche wie glitzernde Sterne hinter der Hauptrakete zurückbleiben. Dann wird das Licht bald weniger und verschwindet nach nicht einmal drei Minuten ganz. Zurück bleibt nur die Stille der Nacht und ein Sternenmeer über unseren Köpfen. Ah und natürlich die taghell beleuchteten Kreuzfahrtschiffe im nahen Hafen.

Ganz bis zu den Sternen haben wir es noch nicht geschafft. Trotzdem haben auch wir in den nächsten Tagen einige Seemeilen zurückgelegt. Nachdem wir uns in Palm Beach mit Unmengen an Lebensmitteln eingedeckt haben und uns auf Covid-19 testen lassen hatten, haben wir zum letzten Mal unseren Anker in den USA gelichtet. Jetzt sind wir unterwegs über den Golfstrom nach West End in den Bahamas. Endlich fahren wir zurück ins Land mit dem türkisfarbenen Wasser. Lange haben wir uns darauf gefreut, und jetzt erwarten uns nicht nur perfekte Segelbedingungen und grossartige Ankerplätze, nein, sogar Freude erwarten uns. Denn bald werden Milou und Swing nach Nassau fliegen und uns für neun Tage über Weihnachten begleiten. Was könnte man sich besseres wünschen für Weihnachten.

Und weil es der Wind so wollte, sind wir noch einige Tage zu früh in Nassau. Aber anstatt unsere Zeit mit warten zu verbringen, nutzen wir den Wind, welcher uns eine Überfahrt nach Nassau so erschwert hätte, zu unseren Gunsten. Endlich mal wieder blasen wir die Kites auf und spielen im Einklang mit den Elementen. Unser Spielplatz ist eine hübsche Bucht mit einem winzigen Sandstrand, gerade gross genug um die Kites zu starten. Ganz bis zu den Sternen fliegen wir so zwar nicht, aber es ist ganz bestimmt die beste Art auf Freunde zu warten!

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