Vom 19. – 28. Dezember 2021 durften wir, Tobias und Helen, zehn Tage auf der Jollity mitreisen. Was wir in dieser Zeit erlebt haben, lest ihr hier.

Es ist der 19. Dezember 2021, verschwitzt sinken wir mit unseren Trampern am Rücken in die Sitze des violett-weissen Ortsbusses von Nassau. «Nehmt am Flughafen den Bus Nr. 12 und steigt bei der Haltestelle Frederick Street aus. Falls wir uns dort verpassen, treffen wir uns beim Starbucks», so lauteten die Anweisungen von Jonas. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in uns aus – wir sitzen im Bus Nr. 10. Aber die junge Frau, der wir über vier Autospuren im hektischen Nassauer Nachmittagsverkehr nachgehetzt sind, beteuert nach wie vor, dass uns dieser Bus direkt zur Frederick Street bringen würde. Der Busfahrer rast also Richtung Nassau Downtown. Ausfahrten nutzt er zum Überholen, blinken ist für Anfänger und haarscharf braust der Bus an einer Touristengruppe in Buggies vorbei. Schliesslich steigt unsere Begleiterin aus und schärft dem Fahrer nochmals ein, wo er uns absetzen soll. Wir sind die letzten Passagiere im Klapperbus und der Fahrer meint zuvorkommend, dass er uns direkt zum Starbucks fahren werde. Zwei Minuten später bremst er, biegt scharf links ab und da stehen wir: In einer kleinen Seitengasse, vor einem Starbucks, das gerade schliessen will. Wir steigen dankend aus und schauen uns um. Kein Jonas, keine Leonie weit und breit. Wir beschliessen, dass Helen beim Gepäck wartet, während sich Tobias mal vorne auf der Hauptstrasse umsieht. Eine gute Idee, denn nach wenigen Minuten kommt er mit einem grinsenden Jonas zurück. Lachend erzählen wir von unserem Bus-Abenteuer und schleppen gemeinsam unser Gepäck in den nächsten Bus. Am Dinghy-Dock angekommen, ertönt hinter uns plötzlich ein lautes «Buh» und als wir uns umdrehen, steht Leonie vor uns. Mit vereinten Kräften laden wir unser Gepäck ins Dinghy, quetschen uns dazu und nach ein paar Minuten Fahrt zeichnet sich endlich die Silhouette der Jollity vor uns ab.

Nach einer kurzen Führung durchs Schiff befreien wir uns für die nächsten zehn Tage von Turnschuhen und Socken und machen es uns in unserer Kajüte gemütlich. Zum Abendessen gibt es Spaghetti mit Sauce und wir zwei Leichtmatrosen löchern die beiden erfahrenen Seebären mit Fragen über die Jollity. Umgekehrt sind sie neugierig, was wir auf unserem knapp dreiwöchigen Roadtrip durch Florida alles so erlebt haben – und so verstreichen die Stunden wie im Flug.

Am nächsten Morgen heisst es um sieben Uhr: «Anker lichten, es geht los!» Unser heutiges Ziel ist Shroud Cay, knapp 45 Meilen von Nassau entfernt. Wir segeln hart am Wind, ein etwas seekränklicher Einstieg für uns unerfahrene Segler. Als wir aber nach ein paar Stunden wieder in ruhigere Gewässer einfahren, lässt die Vorfreude auf das bevorstehende erste Schnorcheln alle Strapazen vergessen. Wir fahren mit dem Dinghy zu einem Riff, lassen uns ins Wasser gleiten… und werden direkt von einem Riffhai begrüsst. Der scheint aber kein Interesse an uns zu haben und patrouilliert weiter. Wir schwimmen derweil auf das Riff zu und staunen: Einerseits über die Vielfalt der Fische, die Kraft der Farben und die Schönheit der Korallen. Andererseits aber auch über die starke Strömung, die uns beharrlich vom Riff wegdrückt. Naja, wir haben es geahnt und so klettern wir etwas ausser Puste nach kurzer Zeit wieder zurück ins Dinghy und segeln schliesslich noch ein kurzes Stück weiter zum Ankerplatz. Dort folgt die nächste Lektion Seglerwissen: Der Anleger. Ein wichtiger, flüssiger Bestandteil des erfolgreichen Segeltages. Wir stossen an und beobachten, wie Venus, Jupiter und Uranus weit oben am Himmelszelt glänzen.

Der nächste Tag führt uns in die umliegenden Mangroven. Mit Drohne und GoPro ausgerüstet, erkunden wir die Umgebung. Das türkisgrüne Wasser beeindruckt nicht nur uns, auch Jonas und Leonie sind begeistert, wieder hier zu sein. Wir biegen mal links und mal rechts ab und entdecken plötzlich eine kleine Bucht mit feinstem, weissem Sand. Wir ziehen das Dinghy an Land und erkunden den versteckten Ort. Ein paar Drohnenaufnahmen später lockt uns das leuchtende Wasser und wir springen in die Wellen. Nach der Erfrischung und einer kurzen Exkursion auf den Felsen oberhalb des Strandes, treten wir den Rückweg zur Jollity an. Unterwegs tauchen immer wieder kleine Köpfe für ein paar Sekunden aus dem Wasser auf und wir filmen und beobachten gespannt, wie die Schatten weiterschwimmen: Wasserschildkröten! Wir sind im Paradies.

Nach einem leckeren Mittagessen setzen wir wieder Segel und fahren weiter südlich, zu Johnny Depps Privatinsel. Wir erhoffen uns etwas Abdeckung von dem unerbittlichen Nordwind, der seit einigen Tagen weht. Während dem Segeln grübeln Tobias und Jonas an dem Plan, der seit gestern in ihren Köpfen rumgeistert: Wir drehen einen Film! Eine Weihnachtsgeschichte soll es werden, für Familie und Freunde zu Hause. Gestern war nebst dem Video noch die Rede von einem selbstgeschriebenen Lied. Heute Mittag sind es bereits drei Lieder und Tobias schreibt während dem Segeln bereits fleissig am Drehbuch.

Am nächsten Tag ist das Wetter leider eher bescheiden und wir beeilen uns, weiter in den Süden zu gelangen. Bei Staniel Cay angekommen, geniessen wir zum Abendessen leckeres Ofengemüse und bauen dann den Wohnbereich der Jollity zum Heimkino um. Es läuft der Bond-Klassiker «Thunderball». Denn schliesslich ankern wir aktuell direkt vor der Grotte, in der im Film die Atombomben versteckt sind und aus der 007 spektakulär mit dem Helikopter ausgeflogen wird. Da liegt es auf der Hand, dass die Grotte auch in unserem Film von zentraler Bedeutung sein soll.

Bestens vorbereitet schnorcheln wir also am nächsten Tag in und um die Grotte. Wir sehen wunderschöne Fischschwärme und zahlreiche Touristen. Unbeirrt filmen wir dennoch unsere Sequenzen und tuckern dann wieder zurück zur Jollity. Noch am selben Tag segeln wir fünf Meilen weiter südlich, bis Bitter Guana Cay. Nach dem Anleger gibt es leckeres Tomatenrisotto von Tobias und das Filmmaterial des heutigen Tages wird begutachtet.

Den nächsten Morgen verbringen wir mit Basteln und Lieder üben. Auf magische Weise sind in den letzten Tagen nämlich ein Weihnachtslied, ein Shanty und eine Adaption von Jingle Bells entstanden. Während also Gitarrengeklimper durch den Schiffsrumpf zieht, basteln Leonie und Helen fleissig Guetzliförmli. Denn die im Detailhandel erhältlichen Keksausstecher, die Leonie und Jonas auf ihrer Einkaufstour vor ein paar Tagen fanden, gefielen ihnen überhaupt nicht. Und so kommt es, dass an diesem Morgen auf der Jollity aus Keksausstechformmetall handgemachte Ausstecher in Form von einem Seestern, einer Qualle, einer Seekuh, einer Schildkröte und eines Walfischs entstehen. Nach der Arbeit folgt aber bekanntlich das Vergnügen und so hüpfen wir gegen Mittag ins Dinghy, um die Iguanas am Strand zu besuchen. Die Mini-Dinosaurier zeigen überhaupt keine Scheu und warten sehnsüchtig auf etwas zu Futtern. Unsere Snacks geben wir aber nicht her und kraxeln stattdessen auf die Felsen der Insel, schnorcheln im glasklaren Wasser und fahren dann wieder zurück zur Jollity.

Noch am gleichen Tag segeln wir weiter Richtung Rudder Cut Cay. Die Strömung hat bereits wieder zugenommen, als wir zwischen zwei Inseln auf den Atlantik raussteuern. Plötzlich schlagen die Wellen von allen Seiten aufs Boot und Käpt’n Leonie warnt uns: «Wenn jemand fragt: Das habt ihr dann nicht von uns gelernt, gäu. Das macht man eigentlich nicht…». Leicht grün im Gesicht nicken wir nur und bemühen uns um Ablenkung von unseren schaukelnden Mägen. Nach ein paar Stunden haben wir unser Ziel erreicht: Wir ankern direkt vor David Copperfields Privatinsel. Nach dem verdienten Anleger und einem farbenprächtigen Sonnenuntergang kochen wir Älplermagronen mit Apfelmus. Schliesslich ist heute Heiligabend.

Am Weihnachtsmorgen gibt es dann nur ein schnelles Cornflakes-Frühstück. Denn heute ist Drehtag! Wir filmen als erstes die Guetzliszenen und springen kurz vor Mittag ins Dinghy, um schnorcheln zu gehen. Der gute David C. hat in der Nähe seiner Insel nämlich ein Chromstahl-Klavier versenkt, das wir uns natürlich nicht entgehen lassen wollen. Nach dem Mittagessen filmen wir weiter bis zum Sonnenuntergang. Da wir heute nicht gesegelt sind, wird der Anleger kurzerhand durch einen Sundowner an Davids Strand ersetzt. Dann geniessen wir unser Weihnachtsmenü: Ein Gemüse-Curry mit Kochbananen und Tofu. Zum Dessert gibt es die Begleiter des Tages – unsere Ovo-Mailänderli.

Den zweiten Weihnachtstag verbringen wir ebenfalls bei David, weil es uns hier so gut gefällt. Wir gehen schnorcheln, erkunden die benachbarten Buchten, essen Wraps zu Mittag, gehen nochmals schnorcheln und reihen am Strand ganz viele Conches aneinander. Bei Sonnenuntergang stossen wir erneut mit einem Sundowner an, während die Sonne uns einen filmreifen Untergang beschert und die Venus strahlend neben unserem Mast aufgeht. Nach einem Hörnligratin mit Kürbis schneiden Tobias und Jonas noch bis um halb zwei morgens an unserem Film.

Doch Ausschlafen ist am nächsten Morgen Fehlanzeige. Unser letzter Tag auf der Jollity ist angebrochen und wir segeln bereits um halb sieben los. Kurz nach dem Mittagessen erreichen wir Georgetown und legen inmitten der zahlreichen Cruiser an, die hier bereits versammelt sind. Mit dem Dinghy düsen wir sogleich ins Dörfchen, um vor dem Rückflug nach Miami den obligaten Covid-Test erledigen zu können. Da uns während dem Segeln leider kein Petri Heil beschieden war, kaufen wir auf dem Rückweg im Exuma Market Mahi Mahi fürs Abendessen. Zurück auf dem Schiff beginnen Tobias und Helen mit dem Packen. Diese trübsinnige Arbeit wird jedoch kurz vor Sonnenuntergang unterbrochen und wir tuckern zur Chat’n’chill-Bar am Strand. Der Anleger kommt heute in Form eines farbenfrohen Cocktails zu uns. Wir geniessen gerade den beginnenden Sonnenuntergang, als es plötzlich überall zusticht: Sandflies! Die erste Angriffswelle kontern wir mit Antibrumm, doch es sind zu viele. Wir schauen uns auf der Insel um und stellen fest, dass alle anderen Gäste längst die Flucht ergriffen haben. Wir schieben also ebenfalls das Dinghy ins Wasser und versuchen die lästigen Biester mit möglichst viel Fahrtwind abzuschütteln. Die Flucht gelingt – auf der Jollity erwartet uns nur kühle Abendluft. Eine riesige Platte selbstgemachtes Sushi und die Filmpremiere unseres Weihnachtsmärchens runden den letzten gemeinsamen Abend ab.

Beim Frühstück am nächsten Morgen unterhalten wir uns grandios mit dem Cruiser Rundfunk. Über Funk werden die Schiffe vor Anker mit den News und dem Wetterbericht versorgt sowie über bevorstehende Aktivitäten und gesuchte Schiffsteile informiert. Um 9 Uhr wird Aquafit in der kleinen Bucht am Strand angeboten, doch zu unserem Bedauern müssen wir vorher los: Unser Flug nach Miami wartet. So quetschen wir erneut unser ganzes Gepäck inklusive Crew ins Dinghy und tuckern an Land. Der Käpt’n und sein erster Maat begleiten uns noch bis zum Taxi und dann heisst es Abschied nehmen. Das Taxi bringt uns an den Flughafen und als das Flugzeug abhebt, versuchen wir noch einen letzten Blick auf die Bucht mit der Jollity zu werfen. Wir sehen türkisblaues Wasser, schneeweisse Strände und das wunderschöne Grün der Palmen.

Für diese grossartigen zehn Tage, die wir auf der Jollity verbringen durften, möchten wir uns an dieser Stelle von ganzem Herzen bei Jonas und Leonie bedanken. Wir haben viel übers Segeln gelernt, hatten sehr viel Spass und durften wunderschöne, unvergessliche Momente erleben – merci viu, viumau! <3


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