Eine leichte Brise bläst aus 60 Grad von Steuerbord. Die Jollity schiebt sich mit fast acht Knoten durch die erstaunlich flache See. Die Bedingungen am Start unserer Pazifiküberquerung könnten kaum besser sein. Nach einem ereignisreichen Tag sind wir gestern um 18:20 mit den letzten Sonnenstrahlen ausgelaufen. Unser Mitsegler, Lukas Graser, ist am selben Tag erst um 10 Uhr morgens auf Santa Cruz gelandet. Das es für ihn überhaupt noch gereicht hat, rechtzeitig bei uns zu sein, ist eigentlich erstaunlich. Denn zwei Tage vorher hat sein Flug von Amsterdam nach Ecuador, bereits kurz nach der Küste von Portugal umgedreht und ist zurück nach Amsterdam geflogen. Mit viel Glück und dank seines guten Reisebüros, hat es aber am Ende trotzdem noch gereicht, rechtzeitig in den Galapagos zu sein. Danach heisst es volles Programm: Schildkröten, Lavatunnel, Mittagessen, Schnorcheln, Ausklarieren. Um 18 Uhr sind wir bereit zum Auslaufen. Noch einmal ums Schiff schwimmen, Anker lichten und los geht es auf die längste Etappe unserer Reise!

Wir sind noch immer im Gebiet des Nationalparks der Galapagos als wir am Horizont ein Fischerboot ausmachen können. Eigentlich nichts Spezielles. Etwas stutzig macht uns lediglich, dass das Schiff kein AIS eingeschaltet hat… Und keine Landesflagge fliegt… und dass es nicht mit einer Registrierungsnummer angeschrieben ist… Und das mitten im Nationalpark.

Bald darauf verschwindet aber auch das Fischerboot am Horizont. Die Stunden vergehen und die Sonne sinkt immer tiefer bis sie irgendwann im Westen, vor unserem Bug, im Meer versinkt. Langsam verändert der Himmel seine Farben von Blau zu Orange und dann immer tiefer ins Rot. Und schon wieder sind wir etwas erstaunt, denn im Süden scheint sich das Abendrot unnatürlich weit und hell fortzusetzen. Vermutlich sind Woken am Horizont dafür verantwortlich. Zehn Minuten später ist im Westen nur noch ein letzter Schimmer Helligkeit zu sehen. Im Süden hingegen scheint das Licht eher zugenommen zu haben. Wie eine Wand erstreckt sich am ganzen südlichen Horizont entlang ein Licht nach dem anderen. Eine Flotte von Squidfischern welche uns die ganze Nacht hindurch begleitet und uns sogar dazu zwingt etwas nördlicher zu segeln, als wir eigentlich wollten, um einen Zusammenstoss zu vermeiden. Auf unserem AIS erscheint kein einziges der Schiffe. Diese Art von Fischerei ist ein schreckliches Beispiel von der Ausbeutung der Meere, aber auch von Sklaverei und Missbrauch. Die folgende kurze Doku gibt einen Einblick in dieses grauenhafte Geschäft.

Es schaukelt. Seit der Begegnung mit der Fischereiflotte sind vier Tage vergangen. Die Bedingungen sind sehr gut. Es hat genug Wind, um schnell zu sein, aber nicht so viel, dass die Wellen allzu gross werden. Das, und ein leichter Mitstrom, führt dazu, dass wir mit Rekordgeschwindigkeit fahren. Fast 190 Seemeilen am Tag über die letzten vier Tage. Einmal sogar 194 in 24h, das ist Rekord für uns! Jetzt gerade fahren wir einmal mehr direkt in einen wunderschönen, tieforangen Sonnenuntergang. Langsam senkt sich die Nacht über uns und der Himmel schaltet ein Stern nach dem anderen ein. Bald darauf leuchten über uns Tausende von Sternen. Hier ist man wahrlich einsam. Eingeklemmt zwischen dem grössten Meer der Welt unter uns und einem unendlichen Sternenmeer über uns fühlt man sich winzig klein. Ein Leben auf knapp 13 Meter. Während rund um uns mehr als 1000 Meilen nichts als Wasser ist.

Ein Schrei reisst mich um 2 Uhr aus dem Schlaf. Beim zweiten Mal verstehe ich dann endlich, was Leonie sagt. Wir müssen reffen. Sofort sind wir alle auf den Beinen. Die Windanzeige, welche die letzten Tage immer zwischen 10 und 15 Knoten angezeigt hat, zeigt jetzt 29 an. Wir rauschen mit 9 Knoten vor dem Wind. Leonie steht am Steuer und versucht uns irgendwie auf Kurs zu halten. Plötzlich setzt auch der Regen ein. Innerhalb kürzester Zeit sind wir klatschnass. Mittlerweile haben wir aber auch die Genua einrollen können und wenige Minuten später nimmt der Wind auch langsam wieder ab. Nach rund 20 Minuten ist der Spuck fast genauso schnell wieder vorbei, wie er angefangen hat. Es regnet noch ganz schwach, doch der Wind ist wieder normal. Froh, die Regenzelle ohne Schäden überstanden zu haben, legen wir uns, nachdem wir uns abgetrocknet haben, wieder ins Bett, um noch ein wenig zu schlafen.

Seit sieben Tagen sind wir nun auf See. So langsam haben wir uns an den neuen Rhythmus und unsere jeweiligen Schlafenszeiten gewöhnt. Tagsüber gehen wir kaum noch schlafen, denn mittlerweile schlafen wir eigentlich jede Nacht sehr gut. Ausser jetzt gerade. Zum fünften Mal heute Morgen werde ich fast aus dem Bett geworfen. Was ist denn hier los. Weitere fünfmal am Bett festkrallen später habe ich die Schnauze voll und stehe ich auf, um einen Blick nach draussen zu werfen. Der Wind ist eigentlich ganz normal, die Wellen, mit gut zwei Meter, nicht einmal allzu hoch. Beim genaueren Betrachten fällt aber auf, dass das Meer ungewöhnlich aufgewühlt ist. Irgendwie scheinen sich mehrere Wellen zu überlagern und generieren dadurch ein ganz spezielles Muster. Und in diesem durcheinander wird unsere Jollity wie ein Spielball hin und her geschleudert. Kein Wunder musste ich mich am Bett festhalten. Zum Glück beruhigt sich die See während des Tages langsam wieder und in der folgenden Nacht scheint alles wieder normal zu sein.

Während einer der ruhigen Nacht sitze ich im Cockpit ein Knopf im Ohr am Film schauen. Plötzlich höre ich ein „pfff“. Dieses Geräusch kenne ich doch, das müssen Delfine sein! Ich stehe auf und schaue mich um. Die Nacht ist ausser dem prächtigen Sternenhimmel jedoch pechschwarz. Ich höre aber immer wieder dieses „pfff“. Und da sehe ich ein Licht im Wasser, wie eine Laterne im Wasser, die kurz darauf wieder auslöscht. Und noch eine… und eine weiter. Wunderschön. Eigentlich denke ich mir, ich sollte die anderen wecken, um das schöne Erlebnis zu teilen, doch die Delfine verschwinden sicher bald. Nach ca. einer Stunde höre ich nichts mehr und bin völlig eingenommen vom den Leuchtquallen, die die Delfine angestupst haben und dadurch zum Glühen gebracht haben.

Erbarmungslos brennt die Sonne auf unsere Haut. Und dabei ist es gerade erst eine Stunde her, dass die Sonne aufgegangen ist. Sie steht so flach, dass auch unser Sonnendach keinen Schatten bringt. Es ist jetzt der 12. Tag unserer Überfahrt. Wir kämpfen seit den Galapagos mit der Hitze und der starken Sonne hier in der Nähe des Äquators. Jetzt hat jedoch der Wind stark abgenommen und jetzt hat es auch draussen auf Deck keine kühlende Brise mehr. Noch vor dem Mittag können wir barfuss kaum noch über unser Deck laufen, ohne uns die Fusssolen zu verbrennen. Um bei dem schwachen Wind noch etwas Fahrt zu machen, setzten wir tagsüber unseren Gennacker, ein riesiges Vorsegel, dass sich wie ein Ballon mit Wind füllt. Kaum steht das Segel, macht unsere Jollity einen Satz und beschleunigt wieder. Leider hat es zu allem Übel aber noch eine alte Welle, welche uns durchschüttelt und damit der Gennacker schön steht, müssen wir von Hand steuern. Für die Nacht ist dies natürlich keine Option. Dann kommt der Gennacker runter und “Fred” unser Windpilot übernimmt wieder das Steuer.

Ich liege im Bett, dann höre ich “rrrrrrrrrr”. Sofort springe ich auf, denn dieses Geräusch kann nur eines bedeuten: Ein Fisch hat angebissen. Jonas unter mir regt sich auch schon. Dreissig Sekunden später stehen wir an Deck, sehen Lukas grinsend an der Fischer Rolle stehen. Wir ziehen die Genaua ein und luven an. Speed reduzieren ist angesagt, damit wir den Fisch nicht verlieren. Nur wenige Tage zuvor hat einer sogar die Hacken verbogen und ist davon gekommen. Dieses Mal geben wir alles. Eine gute halbe Stunde kämpfen wir mit dem Fisch, dann ist er direkt hinter dem Schiff. Im klaren, blauen Wasser sehen wir ihn glitzern. Ein Thunfisch. Er taucht noch immer möglichst tief runter. Das ist typisch für ein Thun. Nach dem harten Kampf ist er jedoch merkbar müde und so können wir ihn mit einem Ruck in Cockpit heben. Ein nasses Tuch auf die Augen um ihn zu beruhigen und dann eine Aale ins Hirn um ihn möglichst schnell von den Qualen zu erlösen. Kiemen Schnitt zum Ausbluten. “Uff” geschafft, wir haben einen grossen „echten Bonito“ gefangen. Es ist nun fast eine Stunde vergangen und wir haben noch immer kein Frühstück gehabt. So füllen wir uns unsere knurrende Mägen bevor Leonie die erste Hälfte filetiert und Lukas dann die Zweite. So sind wir bis zum Mittag beschäftigt und geniessen dafür gleich frischen Fisch zum Zmittag. Die 5 kg Filet haben nicht alle in unserem Gefrierfach Platz und so schnell essen können wir ihn auch nicht. Es ist so viel, dass Leonie vier Konfitürengläser Thunfisch einmacht. So können wir auch einen guten Monat später noch von dem Fisch geniessen.

Es ist der 19. Tag unserer Überfahrt. Gerade zeichnet sich ein schwacher Schimmer der Morgendämmerung am Horizont ab. Doch dafür haben wir keine Zeit. Denn vor uns im Westen schält sich mit dem ersten Licht des Morgens eine Insel vom Horizont. Land ist in Sicht! Wir haben unser Ziel erreicht. Hunderte Meter hoch erheben sich die üppig grünen Hügel in die Höhe. Was für ein Anblick. An der ersten Insel werden wir jedoch nicht ankern, unser Ziel liegt nämlich gleich dahinter. Kaum eine Stunde später, wir sitzen gerade mit einer dampfenden Tasse Kaffee im Cockpit (was natürlich Blödsinn ist, bei knapp 30 Grad und der hohen Luftfeuchtigkeit dampft auch heisser Kaffee nicht), kommt dann auch Nuku Hiva in Sicht. Jetzt sind es wirklich nur noch wenige Meilen. Am Mittag fällt unser Anker in der Bucht von Taiohae. Juhui! 3200 Seemeilen über den Pazifik sind geschafft!


1 Comment

Aramis · June 15, 2023 at 8:46 pm

Spannend, spannend!

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